Die Tropen

Für alle, die es noch nicht wussten: Es ist heiß in den Tropen. Unfassbar heiß. Während ich gerade um 08:11 Uhr Ortszeit im Bus sitze und schreibe, zeigt das Außenthermometer bereits 30,8 Grad an, so heiß ist es. Wer hier zwischen neun, spätestens zehn Uhr morgens und drei Uhr nachmittags versucht etwas im Freien zu schaffen, der muss entweder ein zu bemitleidender Bauarbeiter sein oder dem hat die Sonne das Hirn schon längst vollständig ausgebrannt. So werden die frühen Morgenstunden plötzlich selbst für den größten Morgenmuffel zur Zeit der Verheißungen, in der man gefahrlos den nächsten wundervollen Nationalpark begutachten und bewandern kann. Der örtlichen Tierwelt geht es nämlich überraschenderweise genauso wie dem Menschen und viele Arten sind entweder nachtaktiv oder sie verlegen ihre Such- und Fressperioden in den frühen Morgen oder den späten Nachmittag. So sieht man mitten am Tage nur ein paar mäßig begeistert zwitschernde Vögel umherfliegen, allen voran ein paar leuchtend gefärbte Aras. Die hören sich dann aber auch wirklich so an, als wären die Seelen von Waldorf & Statler aus ihren Puppen in die regenbogengefärbten Papageien gefahren, einzig und allein um den lieben langen Tag zu fluchen, zu schimpfen und ihr Leid zu klagen.

 

Nicht mal mehr zum Brüllen haben die Brüllaffen die Kraft

Nicht mal mehr zum Brüllen haben die Brüllaffen die Kraft.

Verständlich, denn gerade in der Mittagszeit ist der Schatten kurz und zur Hitze kommt auch noch die direkte Sonneneinstrahlung hinzu. Das ist dann nochmal ein ganz anderer Schnack. Auf dieser Reise haben wir schon den ein oder anderen eher unwirtlichen Ort besichtigt, inklusive einer Nacht im Death Valley im Spätsommer, mitten in der Mojave-Wüste. Das war auch so eine wundervolle Schnappsidee, die sich einmal zu machen wirklich lohnt. Ein zweites Mal dann aber eher doch nicht. Dennoch ist das Death Valley ein paar Tausend Kilometer nördlich der Tropen und irgendwie muss das eine recht deutliche Auswirkung auf die Intensität der Sonnenstrahlen haben (muss am Einfallswinkel liegen, glaube ich zumindest). Hier in Mittelamerika, das nicht mal direkt am Äquator liegt, fühlt man sich jedenfalls relativ schnell wie ein Brathuhn, das nach und nach so richtig schön knusprig und kross wird. Das macht einen Besuch an einem der vielen wundervollen Strände am Pazifik oder der Karibik mitunter zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Zumal das Meerwasser zwar Abkühlung verspricht, diese aber auch nur eingeschränkt einhalten kann, mit knapp 30 Grad hat es nämlich auch eher Badewannentemperatur. Egal, ab in die Fluten, der Wind auf der nassen Haut wird danach zumindest für ein wenig Verdunstungskälte sorgen. Auf geht’s, raus aus der Deckung der Palmen, über den schwarzen Vulkansteinsand, der sich innerhalb der letzten paar Stunden in der prallen Sonne so sehr aufgeheizt hat, dass mancher danach beim Gedanken an die eigenen Fußsohlen wieder das erwähnte Brathuhn im Sinn hat. Einen Vorteil hat die Mittagshitze am Strand dann aber doch: In dieser Zeit halten sich die Sandflies, diese allergrausamsten aller Stechfliegen, die sich nicht damit begnügen, dein Blut zu trinken, sondern dir lieber dein Fleisch vom Knochen beißen, zurück.

Traumstrand im Parque Nacional Manuel Antonio

Traumstrand im Parque Nacional Manuel Antonio

So hilft als einziges, von Zeit zu Zeit etwas an Höhe zu gewinnen, wo die Temperaturen nicht ganz so durch Decke gehen. Ein Spaziergang im Wald ist da genau das richtige. Zum Beispiel in den großen Naturreservaten Costa Ricas, die das letzte große zusammenhängene Stück Nebelwald dort schützen und das es auch dank der vieler Kinder gibt, die zu diesem Zweck ihr Taschengeld gespendet haben. Gut, natürlich muss es einen Grund geben, warum der Nebelwald so heißt, wie er heißt. Überraschenderweise wird es auf 1500m Höhe nämlich zwar nachts doch recht frisch, am Tage hingegen ist die Sonne immer noch dieselbe Sonne und die Unmengen an gespeicherten Wasser in den Pflanzen und im Boden nur ein guter Grund dafür zu sorgen, dass eine Luftfeuchtigkeit herrscht, die manchmal nur kurz vor Dampfbad rangiert. Nach der Wanderung im Wald, wo man es trotz geradezu brüllender US-Amerikaner geschafft hat, noch eine kleine Gruppe Nasenbären zu sichten, hilft da nur eins – salzige Snacks und trinken, trinken und noch mehr trinken. Da trifft es sich gut, dass überall Verkäufer mit gesalzenen und frittierten Bananenchips herumlaufen und in Panama und Costa Rica das Leitungswasser nach längerem endlich wieder trinkbar ist. Und wenn man davon die Schnauze voll hat, gibt es zum Glück noch die vielen Shakes, die hier frisch mit dem regional produzierten Obst hergestellt werden – Papaya, Ananas, Wassermelone, Tamarinde. Lecker. Wenn das reguläre Essen da doch bloß mithalten könnte und nicht zu jeder Tageszeit aus Reis mit Bohnen besteht, zum Frühstück mit Eiern, Abends mit Brathuhn. Was sonst?

Regenwald mit Wasserfällen. Links im Bild versteckt: Ein Nasenbär.

Regenwald mit Wasserfällen. Links im Bild versteckt: Ein Nasenbär.

Dieser Waschbär wurde zu nichts gezwungen und nicht mit Essen angelockt. Er kam einfach rübergewatschelt.

Dieser Waschbär wurde zu nichts gezwungen und nicht mit Essen angelockt. Er kam einfach rübergewatschelt.

Belize

Rein technisch gesehen liegt Belize auf der schmalen Landbrücke zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des amerikanischen Kontinents, die in Deutschland Mittel- und hierzulande Centroamerica genannt wird. Eigentlich müsste Belize jedoch ein paar Hundert Kilometer weiter draußen auf See, als kleines Eiland inmitten des karibischen Meeres liegen. Zu groß, zu hervorstechend ist einfach das karibische Flair im ehemaligen Britisch-Honduras, das irgendwann im 17. oder 18. Jahrhundert von den Freibeutern der britischen Krone von den Spaniern erobert wurde und erst 1981 seine offizielle Unabhängigkeit und Staatsgründung feiern durfte. Jaja, so lange ist der Kolonialismus noch gar nicht her.

Niemand hat die Kokosnuss geklaut.

Niemand hat die Kokosnuss geklaut.

Die Auswirkungen des Kolonialismus hingegen sind bis heute zu spüren. Nicht nur das Belize weiterhin Teil des Commonwealths ist und die Queen die Scheine des Belize-Dollars ziert, der mit einem Wechselkurs von 2:1 fest an den US-Dollar gekoppelt ist, was den Aufenthalt im Land doch recht teuer macht. Auch die großen Zuckerrohrplantagen und der große schwarze Bevölkerungsanteil, die Nachfahren der Sklaven, die von den Briten zur Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern hierher gebracht wurden, erinnert einen eher an Haiti oder Jamaica als an das direkt nebenan gelegene Guatemala. Überall laufen Rastas durch die Straßen und obwohl Englisch die offizielle Landessprache ist, hört man an allen Ecken Kreolisch, dieses breitgekaute Irgendwas eines dem Englischen entlehnten Lingos. De facto ist Belize dreisprachig – neben Hochenglisch und Kreol hört man auch oft spanisch, ein Umstand der den vielen mexikanischen und guatemaltekischen Einwanderern geschuldet ist. Auch der spanische Kolonialismus ist in Belize eben nach wie vor zu spüren, zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts, als während des Unabhängigkeitskrieges der Maya viele Flüchtlinge aus Mexiko, dass sich nunmehr endgültig die Kontrolle über die Yucatanhalbinsel aneignete, nach Belize kamen. Aber ich schweife ab. Am präsentesten ist im Land auf jeden Fall das Kreol, das wirklich verdammt witzig klingen kann, wenn es nicht aus dem Mund eines knapp zwei Meter großen schwarzen Hünen mit Dreadlocks, sondern einer ca. 1.50 kleinen, schmächtigen Chinesin kommt, einer weiteren relevanten Minderheit im Land.

Hinter jeder Ecke ein weißer Sandstrand.

Hinter jeder Ecke ein weißer Sandstrand.

Aber auch andere Anzeichen weisen darauf hin, dass man beim Grenzübertritt Mittelamerika verlassen hat und in der Karibik angekommen ist. Wo vorher ausschließlich aus Stein gebaute Häuser die Straßen säumten, sieht man nun auch viele Gebäude aus Holz. Einige davon, vor allem in Belize City, sind schon halb verottet. Dennoch wohnen noch Menschen in Ihnen – Belize ist in der Breite alles andere als ein reiches Land, auch im Vergleich mit seinen mittelamerikanischen Nachbarn. Wo vorher Salsa und Norteno aus Lautsprechern wummerte, hört man nun den ganzen Tag lang Reggae. Nur eine kurze nachmittagliche Periode aus Dancehall und Punta-Arschgewackel durchbricht den Reggaeflow, in dem einen die Menschen schonmal anschreien, man möge doch bitte etwas langsamer sein. Wo vorher Mezcal und Tequila ausgeschenkt wurden, werden die Kneipen nun vom Rum dominiert, der dank des vielen Zuckerrohrs im Land nicht nur verdammt lecker, sondern auch lachhaft günstig ist. Wo vorher Tacobuden und Hamburguesa-Straßenstände das Bild bestimmten, wird nun ausschließlich Fisch, Hummer, Hühnchen, Schweinerippchen und die allgegenwärtigen in Kokonussmilch gekochten Reis und Bohnen gegessen. Klingt lecker, oder? Ist es auch, zumindest bis zu dem Punkt, an dem man bemerkt, dass mit ausschließlich auch wirklich ausschließlich gemeint ist. Es gibt einfach nichts anderes. Obst? Sucht man meist vergeblich. Gemüse? Schlichtweg nicht vorhanden. Die Gemüsebeilage zu einem klassischen Rice & Beans mit Hühnchen – meistens ein kleiner Klecks Kartoffel- oder Nudelsalat. Jawohl, Nudelsalat als Gemüsebeilage. Vergesst Hummer, es braucht nur eine Woche und eine einzelne Avocado kommt einem vor wie ein kleines Stück vom Paradies.

Gegrillter Hummer. Dazu Reis, Bohnen und Nudelsalat.

Gegrillter Hummer. Dazu Reis, Bohnen und Nudelsalat.

Auf auffälligsten wird das karibische Flair jedoch von der Karibik selbst verbreitet. Weiße, palmengesäumte Sandstrände. Knalltürkises, badewannenwarmes Wasser. Mannsgroße Meeresschildkröten, Haischwärme und lebende Korallenriffe. Die vorgelagerten Inseln und Inselchen von Belize sind ein Traum aus einem karibischen Tourismuswerbeprospekt. Die größte und am besten erschlossene dieser Inseln ist Caye Caulker, das nicht ohne Grund Teil des „Gringo Trails“ ist, eines inoffiziellen Pfades, der einige Sehenswürdigkeiten in Mittel- und Südamerika zusammen bindet und auf dem wir somit unbeabsichtigt auch teilweise entlang geritten sind. Wie bei eigentlich allen Orten, die auf diesem Gringo Trail liegen, verfügt Caye Caulker über eine ausgesprochen gute Backpackerinfrastruktur, bessere sanitäre Anlagen und eine deutlich höhere Hippiequote als der Rest des Landes. Ehrlich gesagt, solange jemand nicht nur ausschließliche solche Hippiehochburgen besucht und dann auch noch ausschließlich innerhalb der vier Wände seines Hostels in seiner Sonne und Mond-Eso-Community bleibt, ist mir ein solcher Ort allemal lieber als das breitbeinig proletende Cancun oder all die anderen vermeintlichen Partyhochburgen. Und eine Dormschlafpflicht wurde zum Glück ja auch noch nicht eingeführt.

Oaxaca und Chiapas

Oaxaca und Chiapas sind (Achtung, Spoiler!) die schönsten und großartigsten Flecken, die es in Mexiko gibt. Jetzt, wo wir die meisten Bundesstaaten in Mexiko bereist haben – es fehlen vor allem Chihuahua und Nueva Leon im Norden, Veracruz im Osten und Guerrero im Süden – schält sich diese Erkenntnis nach und nach aus all den bereisten Städten, verzehrten Gerichten und beschnorchelten Stränden ziemlich klar heraus. Hier ist der Versuch, einige der Highlights in Worte zu fassen.

Die Strände Oaxacas

Von allen Küsten, die wir in dieser Reise bislang besichtigt haben, sind vielleicht nur die zerklüfteten Felsen Oregons noch großartiger als die malerischen Sandbuchten an der Küste Oaxacas. Wirklich miteinander vergleichen lassen sich diese beiden aber sowieso nicht. Egal ob in Puerto Escondido die kleinere Playa Carrizalillo, der gesamte Abschnitt von Mazunte bis San Augustinillo oder die wundervolle Playa an der Bahía San Agustín bei La Crucecita / Bahias de Huatulco – überall locken kleine Palapas, wo sich unter Palmendächern wundervoll eine frisch vom Baum geschlagene, eisgekühlte Kokosnuss trinken lässt. Danach vielleicht einen Happen Ceviche mitsamt dem Inneren der Kokosnuss, die man sich gerade öffnen ließ und alles herunterspülen mit einer würzigen Michelada oder einer Paloma, inklusive Salzrand am Glas. Man denkt ja schließlich an seine Elektrolyte. Zum Abschluss im warmen Wasser planschen, wieder hinsetzen, die gesamte Prozedur wiederholen. So kann man schon ein paar Tage ganz gut rumkriegen.


San Cristobal de las Casas

Die wahrscheinlich schönste Stadt Mexikos liegt in Chiapas. San Cristobal de las Casas ist nicht besonders herausragend, es gibt keine einzelne große Sehenswürdigkeit, nichts was man unbedingt dort machen sollte. Es ist einfach nur eine hübsche, alte, gut restaurierte und farbenprächtige Stadt, die nur so strotz vor netten Bars und Cafés. Zudem ist sie durch ihre zentrale Lage in Chiapas der perfekte Ausgangspunkt für Tagesausflüge zu eigentlich fast allen größeren Ausflugszielen in der Region. Hierhin würde ich auf jeden Fall noch ein zweites Mal reisen.

Weihnachten mit Marshmellow am Lagerfeuer

Weihnachten mit Marshmellow am Lagerfeuer

Alte Steine

Die vorkolumbianische Geschichte Mexikos (vorkolumbianisch bedeutet vor Kolumbus, nicht vor Kolumbien) ist die Geschichte vieler verschiedener Volksgruppen, die zum Ende des 15. Jahrhunderts von den Mexica / den Azteken zunehmend dominiert wurde. Den Mexikaner als solchen gibt es nicht, genauso wenig wie den mexikanischen Ureinwohner an sich. Früher wurde in Mexiko anscheinend vor allem zwischen zugewanderten Spanier und deren Nachkommen, dem Indigenen Bevölkerungsanteil, sowie den Mestizen / den Mischlingen aus beider Gruppen unterschieden wurde, so werden die verschiedenen First Nations heute schon klar voneinander abgegrenzt betrachtet. Dennoch spielt dieser rassistische Blickwinkel auf Mexiko leider nach wie vor eine Rolle, wie man schon allein an der Verteilung des Wohlstands im Land betrachten kann – wohlhabend sind nämlich vor allen Dingen die Weißen. Naja. Oaxaca ist auf jeden Fall Kernland von Zapoteken und Mixteken, von denen vor allem die Zapoteken durchaus vorzeigbare Tempelkomplexe hinterlassen haben. Chiapas hingegen markiert die westliche Grenze der Maya, deren Siedlungsgebiet bis in den Süden nach Honduras und El Salvador reicht und die sich, untergliedert in Dutzende Stadtstaaten, eigentlich ständig gegenseitig bekriegten. Von den Maya ist auch in Chiapas einige zu sehen, vor allem Palenque könnte manchen Menschen ein Begriff sein. Noch großartiger fand ich jedoch Toniná, eine große Ruine zwischen Palenque und San Cristobal de las Casas, bei der man frei auf allen dort anzutreffenden Alten Steinen herumspringen und eine riesige und steile Pyramide besteigen kann. Sonst sind bei den Ruinen viele Bereiche abgesperrt. Toniná jedoch ist ein großartiger Abenteuerspielplatz.

Toniná, ein Abenteuerspielplatz

Toniná, ein Abenteuerspielplatz

Mole, Mezcal, Kässpätzle und Co

Die Küche Oaxacas ist vor allem berühmt für ihre Saucen, ihre Molen. Besonders die schwarze Mole, in die neben zigllionen Kräutern auch ein wenig Schokolade gehört, ist berühmt. Ehrlich gesagt hat mir jedoch genau diese nicht so gut geschmeckt. Warum weiß ich auch nicht genau, müsst ihr selbst probieren. Vielleicht liegt es auch an mir, dem anderen Teil der Agency hat sie nämlich ganz hervorragend gemundet. An der Schokolade kann e auf jeden Fall nicht liegen, die ist nämlich so anders, so viel besser, als alles was man in Europa finden kann. Nicht so süß, dafür viel viel würziger. Unfassbar gut! Eher belanglos sind hingegen Heuschrecken. Einmal gegessen, abgehakt. Nicht weil es irgendwie eklig ist, sondern weil sie schlicht und ergreifend keinen wirklichen Eigengeschmack haben. Den hat hingegen Tasajo, luftgetrocknetes Rindfleisch, das gerne in Tlayudas, großen Tortillas, die mit Bohnen, Käse (der Käse aus Oaxaca ist salzig, faserig und zurecht berühmt) und Avocado über dem offenen Holzkohlengrill gebraten werden, serviert wird. An der Küste gibt es dann, natürlich, Fisch. Überall gibt es Mezcal. Als bekennender Scotchtrinker meine ich: ein ganz hervorragendes Destillat, vor allem nach ein paar zusätzlichen Jahren in einem Holzfass. Oaxaca ist ziemlich stolz auf seinen Mezcal und überall gibt es kleine Brennereien. Deren Erzeugnisse werden dann vor allem in Probierstuben ausgeschenkt, von denen es allein in der Provinzhauptstadt Oaxaca de Juarez gefühlte Hundert gibt.

Tostadas mit frischen Shrimps und Avocado

Tostadas mit frischen Shrimps und Avocado

Chiapas ist mir kulinarisch nicht ganz so bewusst in Erinnerung geblieben wie Oaxaca. Einmal habe ich geschmortes Schwein in Kürbiskernsauce gegessen, das war ganz lecker, aber nach Kürbiskernen geschmeckt hat es nicht wirklich. Dafür darf ich Freuden berichtet, dass die wahrscheinlich besten Kässpätzle außerhalb Schwabens in einer kleinen Restaurantbar in Palenque zu finden sind. Frisch geschabte Spätzle mit ordentlich Käse und einer ausreichenden Menge Zwiebeln. Großes Kompliment an das Chely’s – ernsthaft, ich habe viele Kässpätzle in Stuttgart gegessen, die da nicht mithalten konnten.

 

Einfache mexikanische Küche: Pescadillos

Einfache mexikanische Küche: Pescadillos

Großartige Menschen

Dieser Moment, als wir einsehen mussten, dass der Routenplaner von Google Maps uns leider nicht über eine halbwegs normale Straße, sondern auf dem seiner Meinung nach schnellsten Weg mitten durch den Dschungel Oaxacas lotste. Über Erdpisten mit teilweise drei oder vier Spurrillen, die jede für sich 80cm tief war und dabei Steigungen von 10-15% überwand. Durch einen Fluss, bei dem wir Glück hatten, dass jemand vor uns kleine Steinchen in die sandige Furt gelegt hatte. Durch ein Gebiet, das so arm ist, dass die Menschen am Wegesrand noch regelmäßig einen Sack Reis von der Regierung geliefert bekommen. Leider war es in diesem Moment zu spät umzudrehen. Schließlich wurde es schon langsam dunkel und die verdammte Tankanzeige blinkte seit zwanzig Minuten. Abwärts fuhren wir nur noch im Leerlauf und wo die nächste Tankstelle ist, keine Ahnung. Schließlich hatten wir schon seit ein paar Stunden keinen Empfang mehr. Liebes Google Maps, danke für nichts. Dann aber doch: Ein Dorf. Licht. Menschen. Die erste Frage: Gibt es Benzin? Die zweite Frage: Wird die Straße irgendwann auch noch besser? Können wir das in der Dunkelheit mit unserer alten Rosinante weiter fahren? Die Antworten: Ja und Ja. Selten war ich so erleichtert. Keine fünf Minuten später wurden wir zum einzigen Laden in der Stadt geführt, in dem uns der Inhaber aus einem Fass in seiner Garage heraus ein paar Liter Benzin verkaufen konnte. Mittlerweile war es stockdunkel. Als wir den Menschen aus dem Dorf bei einer Cola erzählten, auf welcher Strecke wir zu ihnen gekommen sind – ein lautes Lachen. Aber sie hatten Recht, die Straße wurde danach tatsächlich besser und so schafften wir es doch noch am selben Tag hinunter ans Meer nach Puerto Escondido. Wir zahlten für das Benzin und die Cola, sonst für nichts. In einem Land, in dem sonst jeder Furz berechnet und als Dienstleistung mit einem kleinen oder größeren Trinkgeld bedacht wird. In einer Region, in der viele Menschen so arm sind, dass sie zum Überleben noch Reis von der Regierung erhalten. Genau dort wollten die Menschen nichts und waren fast beleidigt, als wir Ihnen etwas für ihre Hilfe anbieten wollten. Es sei ja normal zu helfen. Großartige Menschen!

Natur, Natur, Natur

  • Das karge Inland von Oaxaca und - huch, eine Pyramide

Ein großer Vorteil an den vielen Ruinen in Chiapas ist, dass sie oftmals mitten im Dschungel liegen und dementsprechend auch dieser zugänglich ist, wenn man sich ein paar alte Steine anschaut. So fährt man zum Beispiel erstmal eine Stunde auf einem kleinen Motorboot über den Grenzfluss zwischen Guatemala und Mexiko, um nach Yaxchilán zu gelangen, das malerisch und abgelegen inmitten einer Flussschleife daliegt. In Yaxchilán angekommen sind die Ruinen zwar recht gut freigelegt, dennoch gibt es jede Menge riesiger Bäume, an denen sich hoch über einem die Brüllaffen und –äffchen entlanghangeln. Nettes Plus. In Oaxaca hingegen kann es gut sein, dass man auf der Fahrt zum Canyoning ein paar Nasenbären am Wegesrand spielen sieht oder die Ausfahrt zum Canon del Sumidero, ein durchaus beeindruckender, bis zu 1km tiefer Canyon, der vom Wasser eines Stausees gefüllt ist, den Blick auf ein paar in der Sonne liegende Krokodile beinhaltet. Nach ein paar Monaten Mexiko habe ich mich mittlerweile damit abgefunden, dass es kaum möglich ist, die hiesige Natur auf eigene Faust zu erkunden. Dafür gibt es schlichtweg nicht genug Arbeit hier – würden die notwendigen Informationen einfach allen problemlos und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, hätten Heerscharen von Tourguides kein Auskommen mehr. So passt es auch ins Bild, dass man für den sehr gut zugänglichen Nationalpark der Lagos de Montebello nicht einmal, sondern gleich zweimal Eintritt berappeln muss: Einmal an den Staat Mexiko und einmal an die Gemeinde, die direkt an einem der Seen liegt. Einige der Naturschätze sind sogar derart wichtig für die lokale Wirtschaft, dass sich an ihnen größere Konflikte entzünden. So möchte die Bundesregierung von Mexiko schon seit längerem ein großes Ressort an den wirklich wunderschönen Wasserfällen Agua Azul und Misol-Ha bauen, samt neuer Autobahn, die dann San Cristobal de las Casas mit Palenque verbinden würde. Dagegen wehren sich die Anwohner vor Ort, die befürchten, dass ihr Stück vom Kuchen hierdurch kleiner und kleiner und kleiner würde und die in ihrem Widerstand von den Zapatisten unterstützt werden, einer linken Gruppierung, die sich vor knapp 30 Jahren einen kleinen Bürgerkrieg mit der Mexikanischen Regierung lieferte, weil sich große Teile der Bevölkerung schlicht vergessen oder über den Tisch gezogen fühlte. So zumindest habe ich den Konflikt verstanden. Bislang gibt es kein Ressort, braucht es meiner Meinung nach auch nicht, die Wasserfälle sind für sich gesehen schon schön genug. Die Straße allerdings, die könnte das Land durchaus gebrauchen, denn bislang ist die Infrastruktur in vielen Teilen von Chiapas doch recht dürftig. Es ist eben immer dasselbe: Wenn man die Natur in einem Land sehen will, und die Menschen dort ein Auskommen davon haben wollen, dann muss man auch irgendwie dorthin kommen. Deswegen braucht es in manchen Ländern nicht nur größere Schutzgebiete, sondern auch neue Straßen. Ein schwieriger Spagat.

Das Hochland im Norden und Westen von Mexico City

Im Vergleich zu manch anderen Ländern hat Mexiko zwar eine überaus vielfältige Natur, die mit fast allen Klimazonen aufwarten kann, die es auf diesem Planeten zu finden gibt, allerdings sind ihre Schönheiten oft sehr schwer zugänglich oder nur mit einem Führer zu erreichen, der im Budget von zwei Overlandern eben nur selten drin ist. Dafür gibt es im Hochland im Norden und Westen von Mexiko City eine Vielzahl von kolonialen Städten zu sehen, die hierfür mehr als nur entschädigen. Kultur statt Natur – für den zurück liegenden Teil unser Reise und mit diesem Beitrag gibt es einen kurzen Überblick über all die Orte, die wir entlang unserer Route ins Herz Mexikos besucht haben.

Guadalajara:
Die zweitgrößte Stadt Mexikos und Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco ist wahrscheinlich nicht ganz oben auf der Liste von Touristen, die sich das koloniale Erbe Neuspaniens ansehen wollen. Dafür gibt es einfach anderswo noch spektakulärere Altstädte, Kirchen, Fassaden, Gassen und all das. Dafür ist Guadalajara eine ausgesprochen junge Stadt mit unzähligen netten Cafés und Kneipen, bei denen man seine eigenen vier Wände eigentlich nur zum Schlafen aufsuchen möchte. Wäre ich nochmal zwanzig und wöllte ein Auslandssemester oder ein Auslandsjahr in einem spanischsprachigen Land machen – Guadalajara wäre dafür definitiv eine erste Adresse. Auch nett: Bei einem Tagesausflug erreicht man mühelos das Örtchen Tequila und kann sich ein paar Brennereien angucken, oder die Laguna Santa Maria del Oro, ein netter kleiner See in einem mittlerweile bewaldeten Vulkankrater.

Dia de las Muertos in Guadalajara

Dia de las Muertos in Guadalajara

Blick auf die Laguna Santa Maria del Oro

Blick auf die Laguna Santa Maria del Oro

Colima:
In vielerlei Hinsicht ist Colima, die Hauptstadt des gleichnamigen Zergbundesstaates, wie Guadalajara: Nicht ganz so hübsch wie andere Städte, dafür voller netter Cafés und junger Menschen. Außerdem gibt es gleich zwei Vulkane in der Nähe, von denen wir einen, den Nevado de Colima, vom Nahe gelegenen Ciudad Guzman erfolglos versucht haben zu besteigen. Keine Chance, nahe genug heran zu fahren, wenn man die Pisten dorthin und unsere Rosinante miteinander kombiniert. Wie war das nochmal mit der Natur und den Tourguides? Naja, auf jeden Fall ist vor kurzem der zweite Vulkangipfel, der Volcan de Colima, mal wieder ausgebrochen.

Uruapan:
Uruapan wäre wahrscheinlich kein wirkliches Reiseziel für die meisten Menschen, die es in das westliche Hochland Mexikos verschlägt, und auch wir wären wahrscheinlich an dieser Stadt vorbei gefahren, wenn es nicht diese eine Sache gibt, die Uruapan dann doch für einen Zwischenstop wertvoll macht. Mitten in der Stadt stößt nämlich ein unterirdischer Fluß plötzlich an die Oberfläche und wurde in eine tropische Flusslandschaft eingebettet, die einen staunen lässt. So ist der Barranca del Cupatitzio der am zweitöftesten besuchte Nationalpark Mexikos. Klar, liegt ja mitten in der Stadt. Kurz hinter Uruapan fällt der Fluss dann in einem tosenden Wasserfall in die Tiefe und natürlich kann man dort auch mit dem Pferd hinreiten, für ein paar Pesos extra, versteht sich. Zu Fuss geht es aber auch.

Nationalpark Barranca del Cupatitzio

Nationalpark Barranca del Cupatitzio

Pátzcuaro:
An dieser Stelle muss zum ersten mal erwähnt werden, dass es eine Sache gibt, die all die pueblo magicos in den verschiedenen Ecken Mexikos nachts zu wirklich wunderbaren Flecken macht: Es gibt keine Leuchtreklame. Selbst große Ketten wie der nationale Spätibetreiber Oxxo halten sich daran und pinseln ihren Namen in Rot über die Türen der wundervoll einheitlich in Weiß und Rot gekalkten Häusern. Besucht man eine solche neonfreie Altstadt einmal, dann wird schnell klar, warum noch öfter nicht nur von Luft-, sondern auch von Lichtverschutzung geredet werden sollte. Patzcuaro war durch diese Maßnahme für mich eine der schönsten Städte Mexikos bislang, wenn nicht sogar die schönste Stadt. Eine unfassbar bezaubernde, sehr frühe Kolonialarchitektur, die durch ihre frühe Gründung im Jahr 1540 und seinen frühen Reichtum begründet ist und so wohl in kaum einer anderen mexikanischen Stadt zu sehen ist. Dazu überall alte Straßenlaternen, die die Fassaden in der Nacht in ein wunderbar warmes Licht tauchen. Kein Wunder, dass Pátzcuaro am Wochenende oft von Besuchern aus anderen Städten überrannt wird.

Ruhiges Eck in Patzcuaro, die Bilder Nachts sind leider nix geworden

Ruhiges Eck in Patzcuaro, die Bilder Nachts sind leider nix geworden

 

Morelia:
Morelia ist die Haupstadt des Bundesstaates Michoacán, dem auch die Städte Uruapan und Patzcuaro angehören und der oftmals genannt wird, wenn mexikanische Regionen gesucht werden, die im War on Drugs am meisten gelitten haben. Dennoch haben wir hier, wie auch in den beiden anderen genannten Städten, keinerlei Auswirkungen des Drogenkriegs bemerken können. Morelia selbst ist kein pueblo, kein Dorf mehr, dementsprechend lässt sich die Stadt auch nicht mit einem Örtchen wie Pátzcuaro vergleichen. Hier ist nichts weißgekalkt und die Häuser sind etwas jünger, meist aus dem 19. Jahrhundert. Dennoch reiht sich Steingebäude an Steingebäude und mitten in der Stadt kann man neben einer riesigen und beeindruckenden Basilika auch ein Äquadukt beobachten. Darüber hinaus gibt es einige sehr angenehme Bars und verdammt leckere Kokosbollen, wie auch andere gute Süßspeisen, im örtlichen museo del dulce zu erwerben. Morelia ist definitiv zurecht berühmt für seine dulce.

So ungefähr sieht Morelia aus

So ungefähr sieht Morelia aus

Das Museo del Dulce hat auch einen angeschlossenen Laden. Der ist die eigentliche Hauptattraktion.

Das Museo del Dulce hat auch einen angeschlossenen Laden. Der ist die eigentliche Hauptattraktion.

Guanajuato:
Es ist wahrscheinlich nicht gelogen, wenn ich hier schreibe, dass Guanajuato die berühmteste und meistbesuchte aller mexikanischen Städte außerhalb von Mexiko City ist. Ist aber auch ein pitoresqueskes Ding. Wie so viele alte Silberstädte hat Guanajuato eine Zeit lang einfach einen Haufen Menschen beherbergt, dem das Geld nur so aus den Ohren gequolen ist. Und in Guanajuato war eine der größten und ergiebigsten Silberminen. Dementsprechend wurde Guanajuato auch zu einer wirklich verdammt prächtigen Stadt. Heute liegt sie wie all die Jahre schon in einem wahnsinnig engen Tal und wirklich niemand sollte auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden, mit dem Auto hinzufahren. Man wird im Verkehr stecken bleiben und bei der Suche nach einem Parkplatz verrückt werden. Ihr meint ihr kennt das aus jeder x-beliebigen Stadt? Dachte ich auch, aber das hier ist echt nochmal ein anderes Kaliber. Dafür lässt sich die gesamte Stadt eigentlich in einem Tag ablaufen. Es gibt einige Plätzchen, einen netten Aussichtspunkt, eine Kathedrale – so weit so gut, kennt man von vielen Städtchen in Mexikos Hochland. Das eigentliche Highlight aber ist die Stadt selbst und all ihre Häuschen, die sind nämlich fast ausnahmslos alle in unterschiedlichen Farben bemalt. All das Grün, Gelb, Rot, Orange, Blau und all deren verschiedene Schattierungen ergeben ein fantastisches Gesamtkunstwerk, dass vor allem von den höheren Aussichtspunkten großartig aussieht. Außerdem gibt es noch ein absurdes Unigebäude, von dem irgendjemand einmal schrieb, dass es irgendwo zwischen Märchenschloss und Hogwarts liegt. Erbaut wurde es jedoch in den 1950ern, ging also doch auch anders als Waschbeton. Wo eine Uni, da viele Studenten, und das in einer relativ kleinen, hügeligen und pitoresken Altstadt – der Vergleich mit Tübingen ist da gar nicht so abwegig. Außer, dass ich noch nicht gehört habe, dass es in Tübingen die Tradition des callejon gibt: Irgendwo an einem Platz treffen sich Musiker in Trachten, es werden Getränke verkauft und dann ziehen sie mit einer Armada von trinkenden Menschen im Schlepptau durch die Straße. Salud!

Guanajuato von oben

Guanajuato von oben

Farbige Häuser, überall

Farbige Häuser, überall

Aguascalientes:
Aguascalientes ist wieder mal eine Hauptstadt eines mexikanischen Zwergbundesstaates. Diesen Zwergbundesstaaten scheint es aus irgendwelchen Gründen allesamt recht gut zu gehen, zumindest Colima und auch Aguascalientes sind auf jeden Fall recht wohlhabend, wenn man den gängigen Statistiken vertraut. Während hingegen Colima recht hübsch ist, ist Aguascalientes so ziemlich das genaue Gegenteil. Grau, Unmengen von Ketten wie McDonalds an den Einfahrtsstraßen, statt der üblichen Taco- und Birria-Stände in den anderen Städten, keine vorhandene Altstadt. Wir fuhren hin, um uns das Museo National de la Muerte anzuschauen, aber leider war auch das relativ mau. Wenn es eine Stadt in diesem Teil Mexikos gibt, die ihr guten Gewissens verpassen könnt, Aguascalientes ist eure Wahl.

Zacatecas:
Was die Pracht und die Farbigkeit angeht, kann Zacatecas vielleicht nicht ganz mit Guanajuato mithalten. Dennoch ist die Stadt definitiv ein hübscher Flecken Erde. An den Hängen von Zacatecas hat während der mexikanischen Revolution die legendäre Division del Norte unter Führung von Pancho Villa anscheinend einen großen Sieg davongetragen, daher gibt es auf dem Hausberg oberhalb von Zacatecas auch ein großes Denkmal zu Ehren der Helden. Außerdem dort vorhanden: Eine Seilbahn, ein grandioser Ausblick und ein Schrein zu Ehren des Schutzheiligen der Bergleute. Natürlich ist Zacatecas auch wieder eine Silberstadt und hier kann man sogar eine alte Mine im Rahmen einer Führung besichtigen. Wer sich für Mineralien und halb-anzügliche, halb-keusche Witze von Tourguides interessiert, dem wird die Führung gefallen, alle anderen setzen sich lieber an einen der vielen Plätze, trinken ein Nachmittagsbier mehr und erfreuen sich am Anblick von einem wirklich beeindruckenden Haufen alter, in Kolonialarchitektur gegossener Steine. Und hat vielleicht Glück, dass sich die Zacatekatz einem vor die Füße wirft und gekrault werden will.

Unterhalb von Zacatecas: Silber

Unterhalb von Zacatecas: Silber

Hostel mit Aussicht

Hostel mit Aussicht

Die Zacatekatz

Die Zacatekatz

Real de Catorce:
Kleinod, Hidden Gem – Ausdrücke, von denen keiner auch nur ansatzweise an Real de Catorce heranreicht. Früher, im 18. Jahrhundert, haben hier 30.000 Menschen in Steinhäusern gewohnt und habe, natürlich, Silber abgebaut. Später dann wurde die Mine geschlossen und es gab für so viele Menschen schlichtweg keinen Grund mehr, in dieser einsamen Gegend zu leben. Daher stehen in Real de Catorce heute Unmengen Gebäude leer und verfallen vor sich hin. Nur der ein oder andere Esel wird noch in den Ruinen geparkt und wartet auf einen Ausritt. Hier ist der Fluss der Zeit ganz langsam, schwer, in der Hitze des Tages fast so klebrig wie der Schweiß, der einem wie Sirup von der Stirn fliesst. Schon die Anfahrt nach Real de Catorce stimmt einen darauf ein: Nach einer unendlichen Weile durchs Nichts des Bundesstaates San Luis Potosi sind noch einmal 25 km Kopfsteinpflaster zu bewältigen, bevor man an einem gut 100 Jahre alten, nassen und einspurigen Tunnel angelangt. Passiert man diesen, ist man im Tal von Real de Catorce und die Welt, sie könnte kaum weiter entfernt liegen. Oberhalb der Stadt, am Pass, den unzählige Pferde und Esel vor dem Bau des Tunnels überquert haben müssen, liegt dann eine Geisterstadt, ein pueblo fantasma, die zeigt, wie es auch Real de Catorce ergehen hätte können, wenn es in den letzten Jahren nicht von dem ein oder anderen Traveler entdeckt worden wäre. Dutzende von verfallenen Häusern, eine Kirche samt Marktplatz, eine alte Hahnenkampfarena, alles verfallen und von riesigen Nopal-Kakteen und einigen Bäumen, die aus den alten Brunnen herauswachsen, überwuchert. Mehr Geisterstadt geht nicht. Und wenn man von der kleinen Wanderung wieder unten im Tal angekommen ist, wartet die Dorfgemeinschaft vielleicht schon wieder auf den Beginn des nächsten Rodeos.

Das Tal am Ende der Welt

Das Tal am Ende der Welt

Pueblo Fantasma

Pueblo Fantasma

Volkssport Rodeo

Volkssport Rodeo

San Luis Potosi:
Schon wieder eine Stadt, die genauso heißt wie ihr dazugehöriger Bundesstaat. Bei all den vielen Städten, die wir auf unserer Reise durch das westliche und nördliche Hochland zurückgelegt haben, es muss ja eine geben, an die ich mich nicht so gut erinnere. Wobei, vielleicht liegt das auch am Pulque, den wir dort mit Freude in uns hinein gegossen haben. Ein teuflisches Zeug, dieser Pulque. Grundsätzlich ist das ganze ein Moschd, nicht aus Äpfeln oder Birnen, sondern aus dem, was halt in Mexiko wächst: Der Agave. Lässt man sich seinen Krug in der Pulqueria seines Vertrauens füllen, hat man folglich keine Ahnung, wie stark das leicht säuerliche, leicht nussige Gebräu ist, das man da trinkt. So haben zwei Krüge Pulque für einen herausragenden Kater mehr als nur ausgereicht. Ansonsten ist San Luis Potosi meiner Erinnerung nach mit ein paar netten Kirchen bebaut, die wir aber allesamt links liegen gelassen haben. Keine Ahnung wie es euch geht, aber mit ein paar wenigen Ausnahmen geht es mir ja so: Kennste eine Kirche, dann kennste alle.

San Luis Potosi

San Luis Potosi

San Miguel de Allende:
Unsere letzte Etappe auf unserem Weg nach Mexiko City war die Expat-Hochburg San Miguel de Allende. Habe ich etwas über Kirchen geschrieben? Die am Hauptplatz in San Miguel de Allende ist auf jeden Fall sehr sehr hübsch, zumindest von Außen. Zudem liegt sie an einem der schönsten Jardins, dieser Mischung aus Garten, Park und Platz, die häufiger in den mexikanischen Innenstädten zu finden sind, die ich bislang gesehen habe. Die gesamte Altstadt ist hier hübsch restauriert und man merkt an jeder Ecke das Geld, das von Außen in den Ort herein getragen wird. So überrascht es auch nicht, das man in San Miguel de Allende französische Bäckereien, Bagelläden, Bio-Kooperativen mit Humussandwiches und eine beachtliche Anzahl amerikanischer Steakrestaurants findet. Dafür gibt es keine Tacostände, sondern ausschließlich Stände, die einem Obst oder Eis anbieten. Und hier ist das Problem: Ich mag ja gerne ein gutes französisches Baguette und ein Eclaire, aber auf meinen Taco mit Chorizo und Quesillo verzichte ich in Mexiko dann auch eher ungern.

Jardin Allende samt Kirche

Jardin Allende samt Kirche

 

 

Bread lovers heaven. #breadlover #mexico #cumpanio #sanmigueldeallende #expatmexico #bakery #svejdahornmexico

 

Ein von Eva Horn (@habichthorn) gepostetes Foto am

Sind (Nord-)Mexikaner die besseren Deutschen?

Um sofort einem Missverständnis vorzubeugen: Diese Frage ist nicht ironisch, sie ist völlig ernst gemeint! Bei Gott, es gibt einfach so viele Hinweise darauf, dass Mexikaner schlicht und ergreifend die besseren Deutschen sind. Denn zumindest im Norden Mexikos wurde deutsches Kulturgut bewahrt, perfektioniert und wird auch heute noch mit einem unbändigen Stolz zur Schau getragen.

Erstes Beispiel: Blasmusik. Gibt es eine deutschere Fernsehshow als den Musikantenstadl? Eben. Und in Mexiko, zumindest im Norden, wird der Tuba noch die Ehre zuteil, die sie verdient. Da schallt es und pumpt aus unzähligen Lautsprechern im Rhytmus des norteño, der Blechblasinstrumente und der Akkordeons und das ganze klingt in seinen popigsten Momenten dann so. Habt ihr bemerkt wieviele Aufrufe das Video hat? Das ist hier WIRKLICH populäre Musik. Aber nicht nur in seinen glattgebügelten Ausprägungen für ein RTL-affines Publikum. So wird auch schonmal ganz politisch motiviert geblasen, wie ihr hier hören und sehen könnt. Alles in allem finde ich, dass #mexikofürmoik in 2016 ganz groß durchstarten sollte. Zurück zu den Wurzeln deutschen Musikgutes, hin zu einer Mexikanisierung der bundesdeutschen Radiolandschaft! Pfüat di!

Wenn dieses mexikanische Krokodil groß ist, würde es gerne Karl Moik kennen lernen.

Wenn dieses mexikanische Krokodil groß ist, würde es gerne Karl Moik kennen lernen.

Und was passt besser zu einer guten Portion Humpamusik? Richtig, eine Maß Bier! Gut, dass auch dieser Umstand im Norden Mexikos bedacht wurde. Ok, manchmal kommen die Bierkrüge dabei auch mit Tomatensaft, Limette und Chilirand als Michelada daher, aber zumindest einem Teil der agency schmeckt auch diese Kombination ganz hervorragend. Über die Grausamkeiten, die mithilfe von Mango an Bier verübt werden dürfen, müssen Deutsche und Mexikaner sich zwar noch einmal ausgiebig unterhalten, aber hey, in meinem Studentenjob in einem deutschen Getränkemarkt war mir auch schonmal ein Becks mit Cappuccino-Aroma vor die Nase gelaufen. Wie heißt es schön: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

Also, es wurde ordentlich Maßbier getankt und im Hintergrund spielen die Wildecker Herzbuben einen zünftigen mexikanischen norteño – auf welchen Gedanken würde ein guter Deutscher denn jetzt als nächstes kommen? Richtig, erstmal eine Polonaise starten! Gut, spätestens jetzt werden geneigte Leser_innen bemerken, dass dieser Text so ganz ernst auch nicht gemeint ist. Trotzdem muss hier gesagt werden, dass selbst in einem ganz unverdächtigen Laden wie der Mezcaleria Pare de Sufrir in Guadalajara, wo Menschen Mezcal und Bier trinken, Orangen mit Chilisalz schlozen und zu ganz angenehmen Salsaklängen tanzen, wie aus dem Nichts heraus eine Polonaise geformt wurde. Verstörendes Mexiko.

Nicht der mexikanische Siegelhopfen. Dafür Grundlage für lecker Mezcal.

Nicht der mexikanische Siegelhopfen. Dafür Grundlage für lecker Mezcal.

Eine weitere Sache, die die Nähe der Mexikaner zur deutschen Volksseele (muahaha) zeigt, ist der offensichtliche Hang zu Weltschmerz, Verzweiflung und Schwarzmalerei. Jeder der das bezweifelt möge sich einen beliebigen mexikanischen Schlager übersetzen. Kostprobe gefällig? Hier die Übersetzung eines Teils von „La Camisa negra“:

Scheint so, als wäre ich jetzt wieder allein. / Du hast mich nach Strich und Faden belogen. / Was für ein verdammter Tag, an dem ich dich traf, / und vom starken Gift deiner Liebe trank.

Du hast mich mit Schmerz und Sehnsucht nach dem Tod sitzengelassen. / Ich habe den bitteren Hauch des Abschieds eingeatmet. / Seitdem kann ich nur noch schwarze Hemden tragen. / Das Abbild meiner Seele.

Starker Tobak, hmm? Der Unterschied ist nur: Hier wird das Ganze zu jeder sich bietenden Gelegenheit von Dutzenden Kehlen so enthusiastisch intoniert, wie es sonst eigentlich nur hormonverstörte Teenanger unter der Dusche zustande bringen würden. Das gleiche zu den Feierlichkeiten zum Dia de los Muertos, zum Tag der Toten. Da werden riesige Altäre gebaut, der Verstorbenen, der Vergänglichkeit und des allgegenwärtigen Todes gedacht, das ganze aber nicht ernst, bedächtig und betroffen aufgezogen, sondern das Lachen aus dem Keller geholt und mit Zuckertotenköpfen, Kinderschminke und Parties verziert. Wenn das nicht die bessere Variante von Weltschmerz ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

Natürlich hat auch dieser Text keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, daher sei nur noch erwähnt, dass noch viele weitere Beispiele für die Seelenverwandschaft von Mexikaner und Deutschen gefunden werden könnten, etwa die Vorliebe der Mexikaner für den VW Jetta. Zwar scheint die pure Menge Eiscreme, die viele Mexikaner jeden Tag verdrücken, auch auf eine gewisse Affinität zur La dolce vita hinzuweisen und die Nähe zu Spanischen Traditionen und die Vielfalt der indigenen Kulturen sind nun auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Dennoch muss an dieser die deutliche Forderung formuliert werden, dass Pegida und Konsorten erstmal eine ordentliche Deutschlehre in Mexiko absolvieren sollten, bevor sie weiter die Schutzbedürftigkeit der deutschen Leitkultur proklamieren dürfen. Wobei, das kann man ja auch niemandem zumuten.

Erste Schritte in Mexiko / Die Baja California

Kinder, wie die Zeit vergeht. Schon seit einem Monat turnen wir nun durch Mexiko und haben dabei einmal die gesamte Baja California von Nord nach Süd durchquert. Zeit für ein paar Zeilen über die ersten Eindrücke von Mexiko im Allgemeinen und der Baja California im Besonderen.

Es liegt in der Natur eines Roadtrips, dass man viel Zeit auf den Straßen und im Verkehr eines jeweiligen Landes verbringt und die allgemeine Verkehrsmoral (was für ein Wort!) der Menschen in diesem Land sehr gut kennen lernt. Mexiko ist in diesem Punkt… atemberaubend! Fantastisch! Großartig! Selbst die legendäre (und wirklich vorhandene) kanadische Freundlichkeit muss auf der Straße gegenüber der mexikanische Freundlichkeit zurückstecken. LKW-Fahrer zeigen einem bei kurvigen Strecken mit dem Blinker an, ob man gefahrlos überholen kann. In Städten gibt es oftmals keine Ampeln und kein „Rechts vor Links“, sondern auf jeder Seite ein Stopschild und reihum darf von jeder Seite ein Auto rüber fahren. Das funktioniert dann selbst bei dreispurigen Straßen reibungslos, weil jeder auf den anderen aufpasst. Es wird kaum gehupt, alles fliesst irgendwie chaotisch vor sich hin und der gesamte Straßenverkehr ist am ehesten als riesige shared space-Zone zu begreifen – und es funktioniert. Da können sich einige vordergründig besser organisierte Länder echt ne Scheibe abschneiden.

Ein ständiger Begleiter auf den Straßen Mexikos ist dabei die Armee. Die ständigen Sturmgewehre sind ein Anblick, an den man sich erstmal gewöhnen muss. Zur mexikanischen Armee muss jedoch eine Sache gesagt werden: Sie ist echt in Ordnung! Normalerweise bin ich ja kein Fan von Armeen, aber diese hier fährt eben Streife, wie sonst die Polizei, und hat Kontrollpunkte, an denen sie dein Auto kontrolliert, so wie sonst die Polizei. Und das Beste: Sie tut all dies ohne willkürliche Rechnungen zu stellen, so wie sonst die Polizei. Vor allem die policia municipal, die Dorfpolizei, kann einem in diesem Zusammenhang schwer aufstoßen. Ernsthaft, da ist mir das Militär lieber.Wüste, überall Wüste

Außerdem überall anzutreffen auf Mexikos Straßen: Hunde. So wie in Istanbul und auf Sizilien eine unfassbare Anzahl von Katzen herumstreunt, so sind auf der Baja California Straßenhunde allgegenwärtig. Einige haben eine Existenz als Wachhund gefunden und blaffen alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, andere irren mit eingezogenen Schwanz über die Straßen und durch die Dörfer und wurden dabei schon bestimmt 50 mal fast überfahren. Wer hier Straßenhunde retten und in andere Länder importieren will – viel Glück!

Wo in den USA in der Gastronomie viel zu viele Kellner für viel zu wenig Arbeit herumrennen und verzweifelt versuchen, eine Beschäftigung zu simulieren, so stehen in Mexiko in der Gastronomie viel zu viele Menschen für viel zu wenig Arbeit einfach rum. Ist ja auch schließlich nix zu tun. Was das Arbeitsleben angeht, scheint das Mexiko ziemlich gut zu beschreiben – es ist eben so viel Arbeit da, wie da ist, und die wird dann durch alle Bewohner eines Ortes geteilt. Vielleicht hat man dadurch am Ende des Monats nicht soo viel Pesos in den Taschen, dafür muss man nur an einem Tag in der Woche im Eisladen schaffen und alle im Dorf haben ein Auskommen, das sie über die Runden bringt. So ungefähr habe ich mir den realen Sozialismus vorgestellt und genau das ist in vielen Ecken der Baja California genau so zu beobachten gewesen – Baustellen, bei denen 5 Personen zuschauen, während eine Person arbeitet inklusive. Das Ganze gipfelt dann in der staatlichen Erdölgesellschaft Pemex, die ein unfassbares Tankstellennetz betreibt, bei denen auf eine Zapfsäule mindestens ein angestellter Tankwart kommt. Eine gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Auf der einen Seite Ok, haben viele Leute einen Job. Auf der anderen Seite habe ich gelesen, dass Pemex Geld für den Bau neuer Raffinerien fehlt und Mexiko unter Strich trotz seines Ölreichtums Öl importieren muss. Von Investitionen in E-Zapfsäulen mal ganz zu schweigen. So herum betrachtet irgendwie auch wieder Schwachsinn.


Mittlerweile sind wir ja wieder in Gefielden angekommen, in denen die Landschaft in einem fantastischen Grün erstrahlt. Gott, wie gut das tut! Immer nur Wüste sehen schlägt tatsächlich aufs Gemüt, zumindest dem gemäßigte Breitengradkind in mir. Und Wüste gibt es verdammt viel auf der Baja California. Eigentlich gibt es sogar fast ausschließlich Wüste auf der Baja, wenn man mal von einigen wenigen palmengesäumten Oasen absieht. Wie anders sich da doch die Welt unter der Meeresoberfläche darstellt. Tropische Fische, riesige Walhaie, Delfinfamilien und sanft dahingleitende Mantarochen. Alles gesehen. Wer auf Tauchen oder Schnorcheln steht, der sollte wirklich einmal im Leben auf die Baja California fahren.

Viel wäre noch zu beschreiben:Von halb fertig gebauten Häuser, die hier in Unmengen rumstehen, von einwandfreien rohen Meeresfrüchten und Montezuma, dessen Rache einen auch auf anderen Wegen ereilen kann, vom deutlich zu beobachtenden Stadt-Land-Gefälle, dass sich in Arm und Reich, dunklerer und hellerer Haut und noch ein paar anderen Dingen beobachten lässt. Aber davon wird vielleicht noch an anderer Stelle berichtet, Mexiko wird uns schließlich noch eine Weile begleiten.

Deutschland – ein amerikanischer Traum

Das beliebteste Small-Talk-Thema in den USA ist höchstwahrscheinlich „Where are you from?“ – „Wo kommst du her?“ Sobald eine Diskussion zwischen zwei Fremden beginnt, kann man sich sicher sein, dass innerhalb der ersten zwei Minuten diese Frage gestellt werden wird. Auch wir haben auf unserer Reise diese Frage daher schon unzählige Male gestellt bekommt und durften daraufhin unzählige Male mit „Germany“ antworten. In so ziemlich allen Rektionen war daraufhin eine Herzlichkeit und eine Freude zu spüren, die über die übliche amerikanische Freundlichkeit hinausgeht und eigentlich nur einen Schluss zulässt: Deutschland hat in den USA einen verdammt guten Ruf. Zum Teil geht das sicherlich auf die Renaissance deutscher Kultur in den USA zurück, Bier und Backwaren sind mehr als Lebensmittel, eher Trends, und die grundsätzliche Kompetenz der Deutschen in der Herstellung dieser Güter wird überall anerkannt. Außerdem wird in wirklich jedem noch so kleinen Kaff zur Zeit ein „Oktoberfest“ abgehalten. Aber auch bei ganz anderen Belangen ist Zuneigung gegenüber Deutschland zu spüren, so zum Beispiel bei der Berichterstattung über die Asylpolitik. Die Aufnahme von Tausenden von Flüchtlingen aus Österreich waren Big News und die deutsche Humanität wurde von den Menschen allseits bewundert, die Schließung der Grenzen kurze Zeit darauf wurde hingegen kaum registriert. Spätestens an diesem Punkt wurde mir die Zuneigung für Deutschland ein wenig unheimlich. Zeit sich zu fragen, woher der gute Ruf Deutschlands in den USA eigentlich herrührt.


An dieser Stelle möchte ich daher eine These anbringen: Deutschland ist in den USA so beliebt, weil die neuere Geschichte Deutschlands den amerikanischen Traum wie eine Aufführung der Augsburger Puppenkiste aussehen lässt. Vom Tellerwäscher zum Millionär? Kinkerlitzchen! Deutschland war nicht nur irgendein Jungchen, geboren in arme Verhältnisse, gefangen in unverschuldeter Unmündigkeit. Nein, Deutschland war ein verurteilter Schwerverbrecher, ein richtiges Badass, das zwar schon lange ziemlich dick im Geschäft war, aber mit mehr als zweifelhaften Mitteln. Kaiserreich und der 1. Weltkrieg – Deutschland war zwar groß und mächtig, aber im Kern seines Wesens eher ein Slumlord und ein Gangster, als ein strahlender Held. Und dann kam der 2. Weltkrieg und die Unmenschlichkeit der Shoa. Deutschland wurde besiegt, in Nürnberg verurteilt und gelobte Besserung.
Und Deutschland lieferte. Angetrieben von einem unermüdlichen Arbeitseifer, Innovations- und Schaffenskraft und endlich mit der richtigen moralischen Einstellung gesegnet schaffte Deutschland den Aufstieg. Vom Schwerverbrecher zum Millionär. Und dann die Wende und die Wiedervereinigung, ein friedlicher Sieg über den verhassten sozialistischen Feind. Deutschland hatte sich nicht nur gebessert, war endlich beseelt durch ein integeres Volk, nein, nach 1989 war es zudem der lebende Beweis für die Überlegenheit des Kapitalismus über den Kommunismus. Ein Deutschland mit einem Politik- und Wirtschaftssystem, das den Deutschen nicht mehr nur nach der Niederlage aufgezwungen wurde, nein, das sie jetzt auch wirklich wollten, aus tiefstem Inneren, und dafür sogar die Gefahren einer gewaltsamen Niederschlagung ihrer Proteste auf sich nahmen, wie es zuvor in anderen kommunistischen Regimen geschehen war. Und danach? Das Märchen ging weiter, Deutschland wuchs weiter, prosperierte und mehrte seinen Wohlstand, übernahm seine Verantwortung und eine Führungsrolle in der EU und auch wenn man sich nicht immer einig ist – Deutschland ist heute groß, selbstständig, hat seine üble Vergangenheit hinter sich gelassen und betreibt Charity, wie der humane Umgang mit den Flüchtlingen geradezu beweist.

Was für ein Märchen! Der amerikanische Traum, galore. Vom Schwerverbrecher zum gütigen Milliardär. Kein Wunder, dass Deutschland in den USA so beliebt ist. Außerdem gab es ja auch noch einen Geburtshelfer – die USA, ohne die diese Märchengeschichte nicht möglich gewesen wäre. Ein erfolgreiches und integeres Deutschland wirft also immer auch ein gutes Licht auf die USA. Da ist die Neigung groß, alles Deutsche in ein etwas besseres Licht zu rücken. Wenn es nach den USA geht, den Platz an der Sonne hat Deutschland sicher. Sich vom Glanz blenden lassen – in einer Welt von Hollywood und Fox News passiert das ja eh niemandem.

USA – Die Nationalparks im (Mittleren) Westen

Die Nationalparks im mittleren Westen der USA sind einzigartig und wahnsinnig schön. Sie sind völlig zu Recht so beliebt bei Touristen aus der ganzen Welt. Doch was erwartet einen wo? Wir haben uns für euch durch all unsere Fotos gewühlt, um die schönsten herauszusuchen und euch einen kleinen Überblick zu geben. Viel Spaß!

Peter und Arches

I. Yosemite Valley

Unsere Rundreise beginnt im Yosemite Valley, einem der überlaufendsten Nationalparks in den USA. Ihr wollt ohne Reservierung einen Campingplatz unten im Valley aufsuchen? Vergesst es lieber. Das kleine Tal ist nunmal nicht allzu groß und damit auch noch ein bisschen Natur übrig bleibt, muss man die Zahl der Campingstellplätze unter den gefühlten 5000 halten, die hätten vermietet werden können. Durchaus nachvollziehbar bei dem kleinen, wirlich gut versteckten Naturkunstwerk – ein flaches, etwa 800 Meter breites Tal, das von Steilwänden umragt wird, die sich auch mal 1000 Meter über einem auftürmen. Dazu noch der wirklich beeindruckende Half Dome – ein Berg von einem Steinbrocken, der über dem Tal thront. Wer keinen Stellplatz im Tal ergattern konnte, sollte trotzdem nicht traurig sein, man kann ja für einen Spaziergang sein Auto unten parken und ansonsten außerhalb des Valley, aber noch auf Nationalparkgebiet, parken. Dieses umfasst nämlich noch viel mehr wunderschöne Natur und wirklich verdammt viele Wanderwege. Für Yosemite alleine könnte man eine Woche Wanderurlaub einplanen und langweilig würde einem dabei sicherlich nicht werden. Nur Eichhörnchen sollte man hier nicht füttern (wie woanders selbstverständlich auch nicht), schließlich haben Eichhörnchenflöhe vor kurzem ein paar Reisende mit der Pest infiziert. Ja, es gibt sie noch und ja, mittlerweile ist sie heilbar. Will man aber trotzdem nicht haben, also schön die Nüsschen selbst naschen und nix abgeben.

Iron Dome

Eva Yosemite

II. Death Valley

Mitten im Sommer durch die Wüste fahren? Kann man machen, machen auch viele. Mitten im Sommer in der Wüste übernachten? Kann man auch machen, machen aber kaum Leute. Wir haben für euch getestet, warum. Überraschenderweise ist es heiß, sehr heiß. Selbst nachts rutscht das Thermometer oft nicht unter 30 Grad. Man schwitzt sich buchstäblich den Arsch ab und der Ratschlag, jede Stunde mindestens einen Liter Wasser zu trinken, sollte tatsächlich eingehalten werden. Ansonsten beeindruckt das Death Valley aber durch einen beeindruckenden Sternenhimmel, viel Leere zum Starren und einen unfassbar heißen Wind. Nicht umsonst heißt eine der wenigen Oasen hier „Stovepipe wells“, also Ofenrohr. Außerdem kann man mit etwas Glück bei 60 Meter unterhalb des Meeresspiegels Koyoten beobachten.

death valley

III. Zion Canyon

Der Zion Canyon ist ziemlich genau das, was man sich unter dem Prototyp eines Canyons vorstellen kann. Steil aufragende Felden links und rechts eines kleinen Bächleins, dass sich nach starken Regenfällen irgendwo fernab im Gebirge plötzlich zu einem reißenden Strom verwandeln kann. Grandiose Ausblicke vom Rande des Canyons – sobald man einmal die lächerlichen paar hundert Meter nach oben geklettert ist. Von dort erscheint einem Zion tatsächlich wie ein Vorbote des Paradieses: Mitten in kargem Land fließt frisches Wasser und alles wirkt grüner, lebendiger als in den wunderschönen, aber schroffen Sandsteinlandschaften, durch die man sich gerade bei 35°C aufwärts gequält hat. Der Zion Nationalpark ist zwar nicht wirklich groß, aber groß genug für ein ganzes Wochenende ist er allemal. Es gibt genug Wanderwege, sodass man auch nicht zwingend den ziemlich überlaufen wirkenden Pfad nach Angels Landing gehen muss. Definitv ein Kleinod, wenn auch kein wirklich verstecktes.

Zion Nationalpark

Zion Nationalpark 2

IV. Bryce Canyon

Hat jemand von euch schon einmal das sächsische Elbsandsteingebirge gesehen? Oder die Feenkamine bei Göreme in der Türkei? Dann habt ihr einen Eindruck von Bryce Canyon. Anders als der Name vermuten macht ist Bryce nämlich gar nicht wirklich ein Canyon, sondern eine Abbruchkante an einem Hochplateau. Eine Abbruchkante mit hunderten Felsnadeln aus glühend rotem Sandstein! Der Anblick ist wirklich beeindruckend, besonders vom Inspiration Point, der hoch über einem Halbrund dieser als „Hoodoos“ bezeichneten Felsnadeln liegt. Auch eine Rundwanderung durch die hoch aufragenden Felsen ist beeindruckend, wenn auch durch das ständige auf und ab etwas mühsam. Hat man Aussichtspunkt und Wanderung hinter sich, liegen die Sehenswürdigkeiten von Bryce Canyon schon hinter einem. Ein Nationalpark, der ohne Probleme an einem Tag erkundet werden kann.

Bryce Canyon Nationalpark

Bryce Canyon 2

V. Monument Valley

Die meisten Menschen haben (mindestens) einen Ort auf der Welt, den sie in diesem Leben unbedingt einmal mit eigenen Augen sehen wollen. Das kann der Mount Everest, Ankor Wat, das Great Barrier Reef oder auch das Grab von Franz Kafka sein, in jedem Fall besteht ein tiefer innerer Zwang, diesen Ort unbedingt sehen zu müssen. Nicht zu wollen, nein zu müssen, will man zum Ende seines Lebens mit heiligem Ernst sagen können, dass alles irgendwie auch ganz ok gewesen ist. Für mich war einer dieser Orte das Monument Valley. Diese großen, glühend leuchtende Tafelberge haben mich fasziniert, seitdem ich zum ersten Mal ein Bild davon gesehen habe. Lucky me, ich bin dort gewesen. Abgesehen davon, man bei einer solchen Überhöhung naturgemäß immer etwas voreingenommen ist, ist der Navajo Tribal Park (Monument Valley ist Teil des Navajo-Reservats) eine Stippvisite durchaus wert. Viel machen kann man zwar nicht – die einzige Aktivität besteht in einer 40 km langen, staubigen und löchrigen Sandpiste, die man mit seinem Auto abfahren kann – aber allein der Blick auf diese Berge ist sowas von beeindruckend. Mehr braucht es gar nicht. Das man nebenbei seine Devisen bei einem Indianerstamm ausgibt, der offensichtlich nicht den einfachen Weg des Casinobaus zur Bekämpfung der Armut gegangen ist, kann man getrost als positiven Nebeneffekt betrachten.

Monument Valley

Peter und Monument Valley

VI. Mesa Verde

Mesa Verde ist ein Hochplateau, nur ein Teil davon ist ein Nationalpark. Hier siedelten gut versteckt bis ungefähr 1300 n.Chr. Familien vom Stamm der Pueblo First Nation. Irgendwann im 13. Jahrhundert verschwanden die Menschen plötzlich, bis heute ist nicht genau geklärt, warum. Wahrscheinlich gab es eine lange Dürreperiode, in deren Folge alle Wasser- und Holzressourcen aufgebraucht wurden, was die Menschen schließlich dazu zwang, ihre Häuser zu verlassen, alles aufzugeben und weiterzuziehen. Wer sich mehr als eine der kunstvoll an den Fels geklebten Behausungen ansehen möchte, sollte sich im Visitorcenter ein Ticket für eine der zahlreichen Führungen kaufen. Frei zugänglich ist nur eine Felsstadt.
Wanderwege gibt es in Mesa Verde nur wenige, aber die paar Kilometer, die ausgebaut sind, reichen, um einen Einblick über die karge, aber schöne Landschaft auf der Hochebene zu gewinnen, die immer wieder von Canyons durchzogen wird. Außerdem kann man sich noch ein paar Peroglyphen ansehen.

Mesa Verde

Mesa Verde 2

VII. Arches

Der Arches-Nationalpark liegt am nördlichen Rand von Mormonistan (Utah), in der Nähe der Stadt Moab und ist ein Abenteuerspielplatz in beeindruckender Kulisse. „Arches“ sind natürliche Brücken, die Wind und Wasser in den roten Sandstein erodiert haben. Wandern im Arches Nationalpark bedeutet, von Stein zu Stein zu springen und Wegen zu folgen, die nur mit Steinhäufchen markiert sind. Das macht natürlich wahnsinnig viel Spaß, strengt in der Hitze aber auch wahnsinnig an. Beliebtestes Ziel ist der so genannte „Delicate Arch“, der so exponiert in der Gegend rumsteht, dass er aus der Masse der Bögen herausragt. Der Wanderweg hierhin geht über einige Kilometer über den blanken Fels, ohne das geringste Fitzelchen Schatten. Wir waren zum Glück an einem halbwegs bewölkten Tag dort, sonst wäre die Hitze wohl wirklich unerträglich gewesen.
Ansonsten lohnt sich Arches für Kinder jeden Alters.
Die Region um Moab ist grundsätzlich eine Reise wert. Das Städtchen ist als Outdoormekka bekannt, man kann hier klettern, raften und Mountainbiken. Die Campingplätze und Motels sind daher entsprechend beliebt.

Arches Natonalpark 1

Arches 2

VIII. Canyonlands

Die Canyonlands sind ein riesiger, weitläufiger Nationalpark in der Nähe von Moab. Einige Bereiche der Canyonlands können nur mit Jeeps und anderen geländegängigen Wägen befahren werden. Hier ist Wüste angesagt. Schon morgens um 8 Uhr brennt die Sonne vom Himmel und es gibt keinen Schatten. In den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts wurde hier Uran gefördert, deswegen ist die Ödnis bis heute mit einem Netz von Schotterpisten durchzogen. Früher fuhren dort die LKWs, heute kommen Jeepfahrer aus ganz Amerika hierhin, um endlich mal Gas geben zu können.
Daneben gibt es eine wahre Fülle von Wanderwegen. Einen davon haben wir getestet, was uns die bisher anstrengendste Wanderung der Reise beschert hat. Es war heiß, die Sonne hat gebrannt und wir mussten einen Canyon erst runter- und dann wieder hochsteigen. Ein Teil des Weges ging einen „Wash“ hoch, also ein Flussbett, was nur nach Regenfällen Wasser führt. Da es in diesem Teil der USA im Sommer immer wieder zu Gewittern und lokalen Regenfällen kommt, muss man dort ein wenig aufpassen.
Auch dieser Nationalpark ist sehr beeindruckend, längere Wanderungen sollte man aber nur mit ausreichend Wasser im Gepäck und wenn möglich am Morgen bzw. Vormittag durchführen.

Canyonlands 1

Canyonlands 2

IX. Sequoia National Park

Im Sequoia Nationalpark gibt es eine ganz klare Hauptattraktion: Bäume. Riesenhafte Mammutbäume, die im Englischen Redwoods und in einer alten amerikanischen Sprache Sequoias genannt werden. Die werden hier größer als irgendwo anders auf der Welt, wobei aber fein säuberlich aufgeteilt wird, welcher der vielen Sequoias denn der höchste, der voluminöseste oder der mit dem dicksten Durchmesser ist. Jaja, alles nicht so eindeutig, das mit dem Größten.

In jedem Fall ist der Sequoia Nationalpark durchaus mit einigen ansehnlichen Exemplaren ausgestattet, die man sich auf einem ultrarollstuhlgerechten kurzen Weg anschauen kann. Das mit den rollstuhlgerechten Wegen können die USA, das muss man Ihnen lassen. Außerdem gibt es noch einige andere, längere Wege und ganz in der Nähe ist sogar ein 4000m hoher Berg, der allen Bekundungen nach der mit am einfachsten zu besteigende 4000er weltweit sein soll. Nur einen Tag eingewöhnen sollte man sich davor auf etwa 2500 Meter, wegen der Höhenkrankheit. Langsam geht es zum Sequoia nämlich nicht bergauf, in 20 Meilen Anfahrt klettert man mal eben 2000 Meter in die Höhe. Oben gibt es dafür wundervolle alpine Landschaften, Rehe, die einen aus 2 Meter Entfernung blöd anglotzen und wirklich absurde Bäume, die einfach mal eben weiterleben und weiterwachsen, auch wenn das letzte große Feuer den halben Stamm weggefräst hat. So siehts aus: Der Jungbrunnen ist keine Badewanne, sondern ein 50m hoher und ebenso viele Tonnen schwerer Baum. Na dann.

Über der Baumgrenze im Sequoia

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X. Grand Canyon

Der Grand Canyon ist groß. Wirklich groß. Ich meine er ist so groß, dass man allein 4 Stunden fahren muss, um von seinem Nordrand zu seinem Südrand zu gelangen. Außenrum, versteht sich, denn eine Straße führt nicht nach unten. Nur zwei Pfade vom Süden aus und einer vom Norden, dessen obere Kante gut 300m höher liegt, als die des South Rim. Daher schneit es am Nordrand, ungefähr auf der Höhe Nordafrikas, auch deutlich mehr als am Südrand, bis zu 4 Meter im Jahr, und der nördliche Zugang zum Grand Canyon ist im Winter geschlossen. Es ist sowieso der ruhigere und beschaulichere Teil des Nationalparks, dessen südliches Ende mit McDonalds & Konsorten, eigenem Flughafen und einer eigenen Zugstrecke (in den USA!!) aufwartet, um die gut 4 Millionen Besucher pro Jahr durchzunudeln. Wobei ruhig und beschaulich nicht bedeutet, dass man im Nirgendwo und ohne Infrastruktur darben muss – eine Lodge, ein Café, ein General Store und eine Tankstelle ist auch hier zu finden. In seinen dezenten Ausprägungsformen wünsche ich mir die Infrastruktur der Nationalparks in den USA wirklich überall, wo man gerne wandern will. Außerdem am Nordrand des Grand Canyon zu finden: Ein paar mäßig spannende Wanderwege, tolle Aussichten und eine große Bisonherde. Letztere wollte ein Farmer mit Kühen kreuzen, was irgendwie doch nicht funktioniert hat. Jetzt fressen und trinken die Bisons den anderen Tieren die Lebensgrundlage weg und keiner weiß so recht, was er mit den Tierchen anfangen soll. Tjo.

Dass es mit dem Kreuzen von Tieren auch besser funktionieren kann, kann man am South Rim und am Grund des Grand Canyon beobachten. Denn ohne Mulis, die den beschwerlichen Weg zur Phantom Ranch, einer Lodge und einem Campground ganz unten am Colorado River, mit allerlei Gepäck auf sich nehmen, wäre ein Abstieg und eine Übernachtung nach 12 km Wegstrecke und 1400 Höhenmeter sicher weniger angenehm. Schließlich sorgen die Packtiere dafür, dass man auch auf der Ranch noch ein kühles Biertje trinken kann, bevor man sich am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe wieder auf den Weg nach oben macht. Und früh sollte man aufstehen, damit man auf dem Bright Angel Trail aufwärts noch die meiste Zeit im Schatten laufen kann. Andernfalls darf man sich getrost darauf einstellen, bei gefühlten 50° im Devil’s Corkscrew, einem von mehreren fiesen Aufstiegsstellen, rösten zu lassen. Egal, weiter, immer weiter. Denn abgesehen vom Gefühl, einmal bis zum Grund des Grand Canyon und wieder hoch gelaufen zu sein, wartet am obersten Rand des Canyons im General Store ja noch eine andere Großartigkeit: Ein Erdnußbuttereis.

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Beweisbild: Am Grunde des Grand Canyon

Beweisbild: Am Grunde des Grand Canyon

Oregon

Was sagt es eigentlich über ein Land aus, wenn es sich nicht nur ein Nationalsäugetier (Biber), einen Nationalbaum (Douglas-Tanne), ein Nationalkrustentier (dungeness crab) und ein Nationalgetränk (Milch) erwählt, sondern auch eine Nationalmikrobe? Es bedeutet einiges – wenn denn diese Nationalmikrobe ausgerechnet die Brauhefe ist.

  • Strand am Cape Blanco
Nun bin ich ja was Bier angeht eher ein Purist – gebt mir ein Augustiner und ich bin glücklich – dennoch muss ich nach einem Besuch in Oregon sagen, dass auch die Menschen hier leckeres Bier brauen. Auch wenn es nicht immer das hält, was es verspricht: Das „Hefeweizen“ schmeckt zwar lecker, aber nicht nach Hefe und das „Kölsch“ nicht so schnell abgestanden wie das original Kölner Kölsch. Anders ist eben oft auch besser. In Portland jedenfalls werden die amerikanischen Varianten derselben ebenso oft ausgeschenkt wie IPA, Summer Ale oder auch „Radler“, gerne auch mal mit einem Snack auf „Sauerteig“-Brot. So viele deutsche Worte wie zur Zeit haben sich wohl selten zuvor in die englische Sprache eingenistet – und besser als „Weltschmerz“ oder „Blitzkrieg“ sind sie allemal.

Aber weg von der Sprache und zurück zu Oregon. Nur auf Craft Bier sollte man diesen Staat nämlich auf keinen Fall reduzieren, auch wenn die Oregonesen (?) so stolz auf ihr zweites Nationalgetränk sind, dass sie den Genuss desselben sogar in Parks, Stränden und Biergärten zulassen, in denen auch gleichzeitig geraucht werden darf. Für die Zustände, die ich bislang in den USA erlebt habe, muss diese liberale Geisteshaltung eigentlich fast schon der Vorhort der Hölle sein. Und dann dürfen die Oregoner (??) auch noch legal kiffen – wenn das nicht der Satan persönlich angeordnet hat…

Egal, denn die landschaftliche Vielfalt in Oregon könnte man dafür im Gegenzug geradezu als himmlisch bezeichnen. Es gibt den übriggebliebenen Krater eines Supervulkans, der nun ein 500m tiefer See mit absurd blauem Wasser ist, eine Insel im ultratiefen, aber nicht soo großen See inklusive. Es gibt ausgedorrte Steppen und lichte Tannenwälder im Inland und eine 400 Meilen lange und geradezu aberwitzig schöne Küste. Man findet putzige kleine Städtchen wie Astoria und eine angenehm unamerikanische Großstadt mit Portland, die nicht aus einem abgestorbenen Wolkenkratzerwüsten-Downtown samt Suburbs besteht und zu Fuß und mit einem wirklich guten öffentlichen Nahverkehrssystem (sorry Seattle) besichtigt werden kann. Und es ist günstig, verglichen mit Californien und Washington zumindest.

Auch auf die Gefahr hin mich fast schon wie das Fremdenverkehrsamt der Oregoni (???) anzuhören – eine Reise durch Oregon wäre allein schon den Flug über den großen Teich wert.

Alaska / Yukon / British Columbia – Der endgültige Vergleich

Die Svejdahorntravelagency hat die erste große Etappe des Abenteuers Panamericana erfolgreich hinter sich gebracht: Vier Wochen lang sind wir durch den äußeren Nordwesten des nordamerikanischen Kontinents gereist. Dabei lagen drei Provinzen bzw. (Bundes-) Staaten auf unserem Weg und wenngleich alle drei sich in vielen Punkten ähneln und durch eine gemeinsame Geschichte untrennbar miteinander verbunden sind (Stichwort Goldrausch), so sind doch auch viele kleine und große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen zu beobachten. Zeit für einen durch und durch ernstgemeinten und in seiner Objektivität unvergleichlichen Vergleich in den wirklich wichtigen Reisekategorien.

Facilities: Drei Worte: Free hot showers! Welche Wonne sie versprechen. Welch verheißungsvoller Schauder über den Rücken kriecht. In einer Lebensrealität, in der „Zuhause“ mit vier Rädern und einem Motor, dafür jedoch nicht mit fließendem Wasser oder WLAN verknüpft wird, sind gut ausgestattete und saubere Campingplätze und Cafés mehr als eine Annehmlichkeit – sie sind schlichtweg eine Notwendigkeit. Zum Glück sind alle drei Staaten in dieser Hinsicht bemerkeswert gut aufgestellt. Gut, natürlich findet man nicht in jedem kleinen Provincial Park in der tiefsten Pampa ein Wasserklosett, aber ehrlich gesagt wäre das auch etwas zu viel verlangt. Wie zur Hölle sollte eine solche Infrastruktur in einem so dünn besiedelten Land denn finanziert und der Aufwand dafür gerechtfertigt werden können? Außerdem sind die Plumpsklos eigentlich immer sauber und top gepflegt. Genauso wie die öffentliche Parkanlagen und die dortigen facilities. Einzig British Columbia bekommt in dieser Hinsicht einen Punkt abgezogen: Ich erwarte ja nicht, dass mich aus jeder Latrine gleich der Charmin-Bär freundlich hüftschwingend anspringt und mit mir einen Mambo tanzen will, aber etwas mehr als eine einzige durchscheinende Lage könnte das Toilettenpapier dort auf den öffentlichen WCs schon haben. Auch die kostenlosen warmen Duschen gibt es leider längst noch nicht überall und auch das zur Verfügung gestellte WLAN ist meistens nur eingeschränkt benutzbar, insgesamt ist die Infrastruktur jedoch zufriedenstellend. Vielleicht wird es ja auch noch besser, wenn auf manchen der überall, wirklich überall anzutreffenden Golfplätzen (es gibt Golfplätze am nördlichen Polarkreis, wer denkt sich sowas eigentlich aus?) noch ein Sendemast oder eine Kläranlage gebaut wird. Bis dahin erhalten AK und Y.T. schonmal 2 Punkte und B.C. 1 Punkt.

Flora & Fauna: Beeindruckend. Einfach beeindruckend. Vergesst all die Grizzlies, Elche, Fuchswelpen, Präriehunde, Bisons oder Caribous, die euch hier scheinbar hinter jeder Highwaykreuzung vor die Augen rennen. Am Allerbeeindruckendsten ist immer noch das Fireweed. So schön lila. Und so selten. Kaum zu finden in einem 2000km-langen Korridor von der Mitte von B.C. bis zur Mitte Alaskas. Das muss man einfach fotografieren, wenn man es sieht. An jedem verdammten Rastplatz… Abgesehen von dieser Schönheit, die es immerhin auf die Flagge der Yukon Territories geschafft hat und die scheinbar der Hauptanreisegrund für Trillionen Renterinnen gewesen ist, scheint sich die Natur oben im Nordwesten vor allem darauf versteift zu haben, möglichst frühzeitig wieder aus dem Leben scheiden zu wollen. Anders kann ich mir all die Präriehunde und Kleinvögel nicht erklären, die kurzerhand auf den Highway rennen, paralysiert stehen bleiben, zurück rennen, sich wieder umentscheiden, nur um dann stilecht genau in der Mitte der Achse von unserer treuen Rosinante überrollt zu werden. Echt jetzt, Lemminge sind nix gegen das Artic ground squirrel, ein Herzkasper garantiert. Dabei hat sich vor allem die Strecke zwischen Whitehorse und Dawson City im Yukon hervorgetan, weswegen diese Provinz sich wegen massiver Gesundheitsgefährdung der Nerven der Agency leider auch mit einem Punktabzug konfrontiert sieht. Damit bekommen B.C. und AK 3 Punkte und der Yukon 2 Punkte in dieser Kategorie.

  • Fuchs am Rande des Highway

Folklore: Wann genau war eigentlich diese Zeit, in der Museumspädagogik sich vor allem darauf verstanden hat, Plastikpuppen und Plastiktiere in einer nachgebauten Plastikwelt zur Schau zu stellen? War das überhaupt jemals state of the art? Und wieso muss bis heute selbst in so renoviert klingenden Institutionen wie dem Royal British Columbia Museum immer noch der Plastikmuff der vergangenen Jahrzehnte herumstehen? Wieso steht in einer der beliebtesten Sehenswürdigkeit in Fairbanks ein alter Raddampfer, in dem 30-40 Vitrinen ausgestellt werden, in denen es ausschließlich Eisenbahnmodellbau zu sehen gibt? Wieso muss man das alte Goldgräberstädtchen Skagway so mit Kreuzfahrtschiffen und ihren Gästen zuscheißen, dass die meisten Ladengeschäft mittlerweile Diamantjuweliere sind? Fragen, auf die mir zumindest keine guten Antworten einfallen. Große Ausnahme ist Dawson City im Yukon, dass als Gesamtkunstwerk irgendwo zwischen charmant verrottet und liebevoll restauriert verortet werden kann. Zwar fehlen auch hier im örtlichen Museum die scheinbar allgegenwärtigen Plastikpuppen nicht, dennoch bekommen die Y.T. für dieses Kleinod zumindest 1 Punkt, während B.C. und AK mit 0 Punkten nach Hause geschickt werden.

  • Folklore, Alaska style

Seafood: Gut, vielleicht mag es zunächst etwas unfair erscheinen, aber leider haben die Yukonesen nunmal keinen Pazifikzugang. Klare Sache, gibt erstmal Punktabzug. In Alaska und in British Columbia sieht das schon anders aus. Umso reichhaltiger die Fischküche, wobei es anscheinend vor allem der Heilbutt ist, der nebem dem in allen drei Provinzen allgegenwärtigen Lachs die Speisekarten dominiert. Naja, ich mag ja lieber Kabeljau. Daher bekommt British Columbia einen Sonderpunkt. Schließlich heißt der Bundesstaat nicht umsonst so – in der Hauptstadt Viktoria gibt es einfach vorzügliche Fish n‘ Chips. Und Sushi. Wirklich, in diesem Leben werde ich kein großer Freund des Sushi mehr, aber die deep fried california rolls, die mir im Tatsu Bistro serviert wurden waren einfach so gut- ich glaube jetzt kann ich erst recht nirgendwo anders mehr Sushi essen gehen. Daher bekommt B.C. 3 Punkte, AK 2 Punkte und die Y.T. für den Lachs zumindest noch 1 Punkt.

Fish n' Chips in Victoria

Fish n‘ Chips in Victoria

Trinkgewohnheiten: Nunja, Nordamerika bleibt nunmal Nordamerika. Alkohol scheint hierzulande einfach nicht so sehr zur kulturellen Identität zu gehören. Wie sonst ist es zu erklären, dass man sich nicht einfach ein kühles Helles kaufen und damit an den Strand spazieren kann? Stattdessen: Trinkverbote. Besonders British Columbia ist in dieser Hinsicht ein Beispiel an Widersprüchlichkeit, wie ich schon einmal bei einem Beitrag über Vancouver darstellte. Medizinisches Canabis – ja, Shots trinken – ja, Bierchen am Strand – nein. Die Logik will mir einfach nicht in den Kopf gehen, ist aber bedauerlicherweise in jedem der drei Staaten anzutreffen. Eine weitere Schwierigkeit stellen die Trinkzeiten dar. Bei mir ist es normalerweise ja nunmal so, dass ich auch unter der Woche lieber um 22 Uhr nochmal auf 2 Biertje in die Kneipe springe und dann eben um halb eins rausgekehrt werde. Zu den normalen Schließzeiten eben. Um 22 Uhr haben hierzulande die Kneipen aber oftmals schon zu. Kein Scherz. Da kann man froh sein, wenn am Wochenende mal eine Lokalität bis zwölf auf hat und unter der Woche nicht schon um neun schließt. Mehr als einmal standen mein Bierdurst und ich so vor verschlossenen Türen. Bemerkenswerte Ausnahme ist dabei ausgerechnet das dünnbesiedelste Gebiet, der Yukon. In Whitehorse standen die Menschen vor dem Dirty Northern um 22 Uhr Schlange, in Dawson schloß um elf zwar die großartige Westminster Hotel Bar hinter uns die Pforten, glücklicherweise hatte aber das nicht minder großartige Bombay Peggy’s Pub noch für ein paar Stündchen länger seine Pforten geöffnet. Vor diesem Hintergrund hat sich der Yukon auf jeden Fall einen Sonderpunkt verdient. Einen Extrapunkt Abzug hingegen verdient sich British Columbia für seine 10% Sondersteuer auf Alkohol und nochmal dreimal mehr für die Tatsache, dass die Preise auf der Karte allermeistens ohne Steuern ausgezeichnet sind. Verbraucherschutz, anyone? Immerhin nennt British Columbia halt auch Vancouver sein eigen und damit die Mezqualeria, die 33 acres Brauerei und viele andere tolle Läden. Somit holt es seinen Abzug auch gleich wieder rein. Unterm Strich stehen damit Ak und B.C. bei 1 Punkt und die Y.T. bei 2 Punkten.

Öko-Bonus: Die deutsche Leitkultur steht für so viele wundervolle Dinge – Goethe, Beethoven, Flüchlingswohnheime anzünden oder Mülltrennung. Dachte ich zumindest, bis ich nach Kanada gereist bin, denn hier wird Mülltrennung noch einmal auf die Spitze getrieben. Überall stehen (mindestens) zwei Mülleimer rum, einen für Müll und einen für recyclebares Material. Manchmal stehen aber auch bis zu zehn Behälter an einem Ort und das einzige, das man (noch) nicht finden kann, scheint ein eigener Container für Altschnur zu sein. Achja, auch eine andere urdeutsche Errungenschaft haben sich die Kanadier längst zu eigen gemacht, das Dosenpfand. Und selbst wenn es hier nur bei ausbaubaren 2 Cent pro Dose oder Pfandflasche liegt, sind dieselben von der Gesellschaft weggeworfenen Randgruppen wie in Deutschland dabei, die Reste der Wegwerfgesellschaft für ihr persönliches Überleben zu nutzen. Dafür gibt es in B.C. anscheinend steuerfinanzierte, freie Krankenversicherungen und das ist für ein nordamerikanisches Sozialsystem eher revolutionär….. anderes Thema. Dazu vielleicht wann anders ein paar Bemerkungen. Auf jeden Fall verdient sich auch in puncto Öko British Columbia einen Sonderpunkt, den für Existenz einer Kampagne gegen Laufenlassen des Motors nämlich. Eine völlig schwachsinnige Sache, die ich noch nie verstanden habe. Wenn du aus deinem Auto aussteigst, dann machh es doch verdammt nochmal aus davor. Das führt bzw. fährt doch zu nix, außer natürlich zu verpesteter Luft, verbranntem Geld und ein paar Äonen mehr Treibhausgasen. Gefühlt war die Alaskaner hierbei besonders schlimm, aber vielleicht irre ich mich auch. Auf jeden fall verdient sich Alaska in Kombination mit der Tatsache, dass dort riesige Wohnmobile von der Größe eines Lastenschleppers Jeeps hinter sich an der Änhängerkupplung hinterher ziehen, einen Minuspunkt. Ich meine ok, manche Menschen haber dort einfach nur dieses mobile Zuhause und kein Haus oder keine Wohnung, aber irgendwo hört es mit der Riesenhaftigkeit, der Schwere und mehr Power auch mal auf. Immerhin hat Alaska aber auch unfassbar große und unfassbar viele Nationalparks, die man mit seinen fahrbaren Tourbussen besichtigen kann. Daher bekommt AK in dieser Kategorie zumindest noch 1 Punkt, die Y.T. hingegen 2 Punkte und B.C. 3 Punkte.

Endabrechnung: Keine Ahnung, bestimmt kommt irgendein Ergebnis raus, wenn man jetzt die einzelnen, willkürlich verteilten Punkte zusammen zählen würde. Mir zumindest ist dieses Ergebnis ziemlich egal. Fakt bleibt so oder so, dass mir diese erste Etappe durch den Nordwesten Nordamerikas all das gebracht hat, was ich von ihr erwartet habe: Gold, Bären, Lachs und unendlich weite und leere Landschaften. Sie hat mir auch Dinge offenbart, die ich hier nicht vermutet oder überhaupt für möglich gehalten hätte – die Kolibris und der Regenwald, Wohnmobile von den Außmaßen eines Gigaliners oder freundliche Grenzbeamte der USA. Wenn unsere weitere Etappen auch so verlaufen sollten, dann bin ich jedenfalls verdammt glücklich darüber, mich für diese Reise entschieden zu haben.