Schweinereien von der Straße

Wisst ihr, was (neben vielen anderen Aspekten) so großartig an der Kolumne für die Stuttgarter Zeitung ist? Ich muss mir den Kopf nicht zerhirnen und zermatern, um eine superkreative Überschrift für meine Texte zu finden. Das macht die Zeitung für mich.

In meiner aktuellen Kolumne dreht sich überraschenderweise alles um mexikanisches Streetfood. Für die Recherche fräse ich mich seit nunmehr drei Wochen durch verschiedene Tacostände. Ein schweres Opfer! (Leider teilweise wirklich, denn seitdem wir im Lande sind, wechseln wir uns munter mit Magenverstimmungen und anderen Kränkeleien ab. Die letzten Monate war keiner von uns krank, wir holen das gerade konzentriert nach.)

Hier nun aber der Kolumnentext über Tacos, Carnitas und co.

Streetfood gilt als hip in unseren Breitengraden. Auf der Baja California im Nordwesten Mexikos gehören die Büdchen zum gewöhnlichen Straßenbild. Was auf den Maistacos landet, ist nicht nur vertrauenserweckend.

Streetfood ist in Deutschland voll im Trend. Seit Mitte dieses Jahres gibt es auch in Stuttgart regelmäßig „Streetfoodfeste“. Hier auf der Baja California im Nordwesten Mexikos würden die Menschen wahrscheinlich ungläubig schauen, wenn ich ihnen erzählen würde, dass ausgerechnet in Deutschland Streetfood der neuste Schrei ist. Hier sind die Büdchen, die an der Straße oder an Plätzen stehen, nämlich nichts Besonderes, für das man sogar Eintritt zahlt, sondern der Ort, an dem man sich sein Mittagessen oder einen schnellen Snack holt. Egal ob Schüler, Polizist oder Rentner – alle stehen zusammen am Büdchen und essen Streetfood.

Im Reiseführer haben wir gelesen, dass man mit mitteleuropäischem Magen am besten nur gut gekühlte Lebensmittel aus dem Supermarkt essen soll, doch wir werfen schon nach dem zweiten Tacostand, an dem wir hinter der Grenze vorbeifahren, die meisten Bedenken über Bord. So schlecht kann die Qualität des Essens ja nicht sein, wenn die Leute hier Schlange stehen. Und lecker sieht es auch noch aus. Es gibt, was diese trockene Region hergibt: überwiegend rohe Meeresfrüchte in zitroniger Soße (hierzulande unter dem Namen Ceviche gerade schwer im Trend) und Fisch, der hier frisch frittiert auf den Taco kommt.

Hinweisschilder zu den Öffnungszeiten gibt es nicht

Ein paar Tage später finden wir ein Büdchen, in dem irgendwas mit Carnitas verkauft wird. Wir bestellen drauf los, ohne genau zu wissen, was wir da tun. Vor unseren Augen werden Schweinefleisch und Schweinefett zerhackt, zusammengemischt und uns dann auf einem Maistaco gereicht, dazu gibt es frittierte Schweinehaut – ganz sicher nichts für jeden Geschmack. Einer der Köche winkt uns heran und will wissen, woher wir kommen. Er erzählt uns dann, dass Schweinefleisch aus Deutschland in Mexiko einen besonders guten Ruf habe. Wir befinden, dass mexikanisches Schwein auch ordentlich schmeckt, und bekommen seine Visitenkarte und gute Wünsche mit auf den Weg.

Wie anders war alles in den USA und in Kanada. In Städten wie San Francisco, Portland oder Vancouver ist Streetfood ein fester Bestandteil des Speiseangebots. In den Innenstädten stehen gut ausgerüstete Imbisswägen, die auf Kundschaft aus den umliegenden Bürogebäuden warten, die zur Mittagspause ausschwärmt. Hier kann man selbstverständlich mit Kreditkarte bezahlen. Die Speisekarten sind bedruckt und die meisten Trucks haben ihren eigenen Internetauftritt, auf dem man nachlesen kann, wo genau der Truck zu finden ist. Außerdem bekommt man eine fertige Portion über den Tresen gereicht. In Mexiko läuft alles ein bisschen anders: Auf jedem Tresen stehen verschiedene Soßen, Limetten und klein geschnittene Tomaten, von denen man sich nehmen kann. Für den Touristenmagen bisweilen ein Abenteuer, denn ausgewiesen sind die Soßen natürlich nicht. Manche Stände öffnen ausschließlich morgens, andere erst am Abend. Hinweisschilder zu den Öffnungszeiten gibt es nicht. Die Speisekarten sind auf Holztafeln gemalt, das Menü ändert sich eh nur selten. Die Begeisterung für die Speisen allerdings ist riesengroß und Generationen wie Gesellschaftsschichten übergreifend.

Erst die Kirschen, dann das Bier

Für den vierten Teil meiner Kolumne für die Stuttgarter Zeitung bin ich unter die Kirschpflücker*innen gegangen. Peter und ich haben 9 Tage bei der Ernte im kanadischen Okanagan Valley geholfen.

Es war eine spannende Erfahrung, aber ich bin auch froh, dass wir jetzt weiterreisen und ich keine Kirschen mehr sehen muss“, sage ich zu meinem Freund, als wir nach neun durchgearbeiteten Tagen im Innenhof der Kirschfarm sitzen und mit unseren Kollegen das Ende der Kirschernte feiern. Elf Tage haben wir im Okanagan Valley, der heißesten und trockensten Ecke Kanadas verbracht und jeden Tag bis zu neun Stunden lang am Fließband Kirschen sortiert und gepackt, um unsere klamme Reisekasse aufzufüllen.

Der größte Teil der 60 Erntehelfer stammt aus dem französischen Teil Kanadas, aber wir lernen auch Deutsche, Tschechen und Holländer kennen. Der älteste ist 33 Jahre alt, der Jüngste erst 19. Die Erntehelfer sind Reisende wie wir und versuchen, möglichst viel Geld zu verdienen, um danach weiter reisen zu können. Fast alle campen auf dem Gelände, auf dem es eine voll ausgestattete Küche, Duschen und Toiletten gibt.

Nach der Ernte kreisen Bierdosen und Weinflaschen

Die Arbeitstage laufen meist nach dem gleichen Muster ab. Wir stehen morgens – viel zu früh – auf, frühstücken, packen den ganzen Vormittag Kirschen, machen Mittagspause, packen den ganzen Nachmittag Kirschen. Danach geht es entweder an den Strand oder in den Supermarkt um Essen einzukaufen. Abends sitzen wir zusammen, Bierdosen und Weinflaschen kreisen. Die Atmosphäre bewegt sich irgendwo zwischen Feriencamp und Hippiekommune. Wir erzählen uns gegenseitig von unseren Reise- und Lebensplänen und holen uns Tipps und Anregungen.

Nach zwei Tagen haben wir uns an die Arbeit am Fließband gewöhnt, können uns nebenbei unterhalten und lernen unsere Kollegen besser kennen. Da sind Audrey und Jesse, ein frankokanadisches Pärchen Mitte zwanzig, das campen war und nun Geld braucht, um weiter Urlaub machen zu können. Eigentlich wollten sie maximal zwei Wochen auf der Kirschfarm verbringen, haben ihren Aufenthalt aber wegen der verhältnismäßig gut bezahlten Arbeit und der netten Kollegen verlängert. Da ist Chris, ebenfalls Frankokanadier, bei dem nach der Ernte zwei Monate Asien auf dem Programm stehen. Danach will er vielleicht bei der Ernte in Australien helfen, ein Restaurant eröffnen oder „etwas ganz anderes machen“. Die Australierin Madeleine möchte nach Alaska und dann weiter nach Mexiko reisen. Kaum jemand macht Pläne, die über die nächsten Monate hinausgehen.

Nun soll es Richtung Süden gehen

Um ihren Sommer im Kirschhain zu verbringen, haben die meisten Franko­kanadier eine Strecke von mehr als 4000 Kilometer zurückgelegt. In Quebec gibt es kaum Ferienjobs, und außerdem ist das Wetter nicht so schön, erzählen sie uns. Die meisten verbinden das Nützliche mit dem Angenehmen und fahren weiter in den Westen, Richtung Vancouver oder Vancouver Island, um noch ein paar Wochen den Sommer zu genießen – ganz ohne frühes Aufstehen und Kirschernte. Auch wir ziehen weiter, allerdings in Richtung Süden, wo Portland, Seattle­ und San Francisco auf uns warten.

An dieser Stelle könnt ihr den Originaltext auf der Seite der Stuttgarter Zeitung nachlesen.

Auf den Spuren der Goldgräber

Ich habe gesehen, dass ich den dritten Teil meiner Reisekolumne für die Stuttgarter Zeitung noch gar nicht online gestellt habe. Na so etwas aber auch.

In diesem Teil geht es um den Goldrausch am Klondike und seine Bedeutung für die Geschichte Kanadas und der USA.

Einst trieb es Tausende in den Norden Kanadas. Noch heute wird in Dawson City geschürft. Unsere Kolumnistin Eva Horn hat sich am Zusammenfluss von Yukon und Klondike vorgestellt, wie es früher war.

Dawson City – Während ich diesen Text schreibe, sitze ich in dem Auto, das seit ungefähr fünf Wochen mein Zuhause ist. Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Stunden ich hier drin verbracht habe, aber es sind viele. Das Auto ist unser Kleiderschrank, unser Schlafzimmer, unsere Küche und nicht zuletzt unser Fortbewegungsmittel. Mehr als 6000 Kilometer haben wir schon zurück­gelegt, haben es über einsame Pässe und Straßen über die Yukon-Territorien nach Alaska geschafft. Im Gegensatz zu den meisten anderen Campern haben wir keinen Wohn­wagen der Größe eines Gigaliners, trotzdem ist unsere Art des Reisens geradezu luxuriös, im Vergleich mit den Widrigkeiten, die Menschen vor 120 Jahren auf sich nahmen, um an den Yukon oder nach Alaska zu reisen.

Bei eisiger Kälte sind sie über tief verschneite Pässe gelaufen, oft mit ihrem kompletten Hausstand auf dem Rücken. Nur die Wohlhabenderen konnten sich einen Träger leisten. Schon die Überfahrt von der amerikanischen Westküste gen Norden war gefährlich, zahlreiche Schiffswracks entlang der Küste zeugen davon. Heute kann man auf dem Highway unkompliziert reisen (wenn man von Schlaglöchern und anderen Straßenschäden absieht) und die beeindruckende, raue Landschaft auf sich wirken lassen. Lediglich das Sitzfleisch wird auf eine harte Probe gestellt.
Im Jahre 1897 hatten die Reisenden anderes im Sinn als Landschaft und wilde Tiere zu betrachten. Man hatte an einem Nebenfluss des Yukon, dem Klondike River, größere Mengen Gold gefunden. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und trieb mehr als 100 000 Glücksucher in den hohen Norden, löste den letzten großen Goldrausch der Geschichte aus und machte den Klondike River und Dawson City zu einem Mythos. Das Leben der indigenen Bevölkerung der Region änderte sich innerhalb weniger Jahre tiefgreifend. Viele Menschen starben an Krankheiten, die die Siedler einschleppten. Auch die Lebensweise der Stämme veränderte sich.

Nach und nach wird uns bewusst, wie wichtig die verschiedenen Goldräusche für die kanadische und amerikanische Geschichte sind. Überall finden sich Überbleibsel dieser Vergangenheit, manche werden kreativ genutzt. Lehrtafeln erzählen vom Leben der indigenen Bevölkerung, von Goldsuchern, Nachtclubtänzerinnen und ganzen Familien, die in den Norden wanderten. Bis heute wird in der Region Gold geschürft, mit immer moderneren Methoden, um dem Gestein noch das letzte bisschen Goldstaub abzutrotzen. Auch Touristen dürfen an einigen Claims Gold schürfen, also versuchen auch wir unser Glück.

Dawson City ist heute ein lebendes Museum mit 1600 Bewohnern. Viele Häuser von damals sind stehen geblieben und wurden zum Teil aufwendig restauriert. Im Sommer dauert der Tag bis zu 21 Stunden, alles blüht, wächst und gedeiht, und die Stadt ist gefüllt mit jungen Menschen aus Vancouver oder Toronto, die in den Restaurants, Bars und Museen arbeiten. Genug Zeit für uns, in den Kneipen von Dawson Bier zu trinken und uns zu überlegen, welcher Goldsucher wohl vor 120 Jahren auf unserem Platz saß.

An dieser Stelle könnt ihr den Originaltext auf der Seite der Stuttgarter Zeitung nachlesen.

Zwischen Pazifik und Regenwald..

Vor einiger Zeit schon ist der zweite Teil meiner Kolumne für die Stuttgarter Zeitung gedruckt worden. Nun gibt es ihn auch online.

In diesem Teil geht es um Nationalparks, Natur, wilde Tiere und zwei Frauen, die wir auf unserer Reise getroffen haben.

Vancouver Island – Es ist ein Job, man wird dafür bezahlt – und es ist der schönste Job der Welt.“ Die junge Rangerin, die wir im Cape Scott Provincial Park an der äußersten Nordspitze von Vancouver Island treffen, strahlt. Sie ist gerade am Rangerhaus angekommen und damit heute schon 18 Kilometer durch den kanadischen Regenwald gewandert. Bis Ende September wird sie im Wechsel mit zwei Kolleginnen die Wanderwege im Provincial Park (vergleichbar mit unseren Nationalparks) pflegen, die Parkbenutzungsberechtigungen eintreiben, die sanitären Anlagen säubern und Wölfe und Bären beobachten. Den Blick auf den feinkörnigen Sandstrand und den knallblauen Pazifik gibt es dabei gratis dazu. Dafür liegen zwei Stunden Fahrt auf verschiedenen Schotterpisten und ein fünfstündiger Marsch durch den Regenwald zwischen ihr und der nächsten Kneipe.

Wie weit weg das ist, haben wir selbst schmerzvoll festgestellt, werden aber mit einem fast menschenleeren Sandstrand, einem malerischen Sonnenuntergang und Tierbegegnungen für unsere Mühen belohnt. Wir beobachten einen Schwarzbären, wie er Krebse sucht, und am nächsten Morgen läuft ein Wolf nur ein paar Meter von unserem Zelt entfernt den Strand entlang. Er taxiert uns kurz und läuft unbeeindruckt seiner Wege.

Rita, die gute Seele der Campingplätze

Einen Wolf bekommt man im Morton Lake Provincial Park eher selten zu Gesicht. Dort, weiter im Süden der Insel, „nur“ 20 Kilometer von der nächsten asphaltierten Straße und eine Fahrtstunde von der nächsten Stadt entfernt, treffen wir auf Rita Robson. Die grauhaarige Frau mit dem lauten Lachen und feinen Humor arbeitet gemeinsam mit ihrem Mann in der Sommersaison seit einigen Jahren als Aufsicht und Frau für Alles auf verschiedenen Campingplätzen. Auch sie strahlt, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Den Sommer verbringt Rita in ihrem Wohnwagen am Ufer des kleinen Sees, kümmert sich um die sanitären Anlagen, die Buchhaltung, verkauft Feuerholz und unterhält sich mit ihren Gästen. Für zehn Dollar Gebühr am Tag bekommen diese einen Stellplatz für Zelt und Auto, eine Feuerstelle, saubere Plumpsklos mit Klopapier und – wie im Falle von Morton Lake – zuweilen einen kristallklaren Badesee direkt vor der Tür.

Im Winter geht Rita Robson dann selbst auf Reisen. Im vergangenen Jahr ist sie den Panamakanal entlang gefahren: „Es ist faszinierend, dass sich dort seit hundert Jahren so wenig verändert hat.“ Als wir ihr von unseren Reiseplänen erzählen, ist sie begeistert und rät uns, den Panamakanal auf gar keinen Fall auszulassen. Sie ist auf Vancouver Island geboren, erzählt sie, als sie uns nach unserer Route fragt. „Früher ist man an der Küste mit dem Auto über den Strand gefahren! Das wäre heute natürlich völlig unvorstellbar.“ Ob sie nicht manchmal einsam sei, hier draußen am See, frage ich sie. Sie lacht wieder herzlich: „Ich fühle mich in der Natur viel wohler als in der Stadt.“ Deshalb sei die Arbeit perfekt für sie. Kinder und Freunde kämen regelmäßig zu Besuch. „Ich will den Job machen, solange es noch geht“, sagt Rita Robson. Sie macht nicht den Eindruck, als hätte sie vor, bald in Ruhestand zu gehen.

An dieser Stelle könnt ihr den Originaltext auf der Seite der Stuttgarter Zeitung nachlesen.

Hier findet ihr den ersten Teil meiner Kolumne.