10 Fragen an Peter

Es ist vorbei, wir sind wieder zuhause im muckelig-kalten Deutschland. Zeit, ein wenig zurückzublicken auf neun Monate Panamericana. Zum Anfang habe ich mir 10 Fragen für Peter ausgedacht, die er mir freundlicherweise auch noch beantwortet hat.

Peter_Grand_Canyon

1. Gibt es irgendwas, was du bereust in den 9 Monaten nicht gemacht zu haben?

Gute Frage, keine Ahnung. Auf Anhieb fällt mir nix ein, also habe ich wahrscheinlich alles gemacht, was ich machen wollte. Das wir nur so kurz in Nicaragua waren und Honduras und El Salvador gar nicht gesehen haben, das ist ein bisschen schade. Aber in Anbetracht dessen, dass die mittelamerikanischen Länder sich dann doch relativ ähnlich sind, ist das nicht soo schlimm. Achja, jetzt fällt mir doch noch was ein: Der Barranca del Cobre in Mexiko, den hätte ich noch gerne gesehen und erwandert. Da wirst du dann leider nochmal mit mir nach Mexiko fahren müssen. Schlimm, nicht?

2. Welches Erlebnis hat dich am meisten beeindruckt?

Das Monument Valley wollte ich in diesem Leben ums Verrecken mindestens einmal sehen. Als wir dann dort waren, hat mir das für die Reise nochmal ein deutlich Stück mehr Ruhe und Gelassenheit gegeben – jetzt hatte ich das ja auf jeden Fall schonmal erreicht. Kein einzelnes Ereignis, aber dennoch ungemein beeindruckend fand ich die große (Menschen-)Leere im Yukon und auf dem Weg dorthin. Diese ewige, langsame Dahingleiten mit dem Auto mitten im Nichts eröffnet einem als Europäer definitv noch einmal ein anderes Bild auf die Welt.

Denali National Park

3. Welche Sache, die wir diesmal nicht mitgenommen haben, würdest du das nächste Mal auf jeden Fall einpacken?

Ich finde, wir hatten alles, was wir gebraucht haben. Im Gegenteil: Beim nächsten Mal würde ich eher noch ein paar Sachen weglassen, um mobiler sein zu können. Eine zweite Kreditkarte, die hätte ich allerdings ruhig mitnehmen können.

4. Welche Tiersichtung fandest du am beeindruckendsten?

Uff, das ist schwierig. Waschbärwelpen, schimpfende Aras, Schwarzbärchen, die man mit Pfanne und Löffel scheppernd vom Müll vertreiben muss, Weißkopfseeadler, die in Taubenpopulationsgröße in den Bäumen sitzen, und und und. Es gab dermaßen viel, das fällt schon schwer. Das Allerbeeindruckendste war für mich aber wohl der Wolf, der im Cape Scott Provincial Park auf Vancouver Island an diesem einem Morgen von Links nach rechts über den Sandstrand trottete, keine zwei Meter von den eigenen Füßen entfernt, und im Vorbeigehen nur einmal kurz den Kopf wendete, dabei aber kein Bisschen seinen Trott verlangsamte. Das war ziemlich großartig. Ganz schön drahtig, so ein Wolf. Wie ein Marathonläufer im Körper eines Raubtiers.

5. Worauf sollte man unbedingt achten, wenn man ein Auto zum Reisen kauft?

Reserverad, Wagenheber, Starthilfekabel. Besorgt euch das, ihr werdet es euch selbst danken. Verrostet sollte natürlich auch nix sein, wichtiger ist allerdings, ob der Mensch, der euch das Auto verkaufen will vertrauenswürdig ist. Schließlich werdet ihr keine Unsummen für ein gutes Auto ausgeben können oder wollen, einige Macken wird es daher schon haben. Damit es nix Gravierendes ist und ihr kein böses Erwachen erlebt bzw. auch einen fairen Preis zahlt, solltet ihr den Verkäufer gut einschätzen können. Reklamieren und Rückgabe gibt es nämlich nicht.

Auto an Strand

6. Welche von deinen Erwartungen an die Reise hat sich bewahrheitet?

So viele konkrete Erwartungen hatte ich gar nicht. Die USA sind für mich weiterhin ein Land, dem ich zwiespältig gegenüber stehe – mit dem dortigen Verständnis von Freundlichkeit werde ich in diesem Leben einfach nicht mehr warm. Das mit dem Spanisch lernen hat ungefähr so funktioniert, wie ich es mir dachte: Es reicht jetzt für alles mehr oder weniger touristische, eine echte Unterhaltung kann ich aber nicht führen. So komisch es klingt, ich hatte auch erwartet, dass neun Monate zwar eine lange Zeit sind und sie im Verlauf der Reise genauso lang wirken, dass sie im Rückblick aber doch nur ein Teil und ein Abschnitt des Lebens und eigentlich auch viel zu schnell vergangen sind. Hachja.

7. Welche nicht?

Wir sind langsamer vorangekommen, als ich erwartet hatte. Es gab einfach so viel zu sehen Links und Rechts des Weges. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Kanada ein dermaßen freundliches und großartiges Land ist. Außerdem hatte ich nicht erwartet, dass die mexikanische Küche so viel mehr ist als Tacos oder Burritos. Die steht in Geschmack und Vielfalt beispielsweise der italienischen Küche in nichts nach. Umgekehrt hätte ich aber auch nicht erwartet, dass es in Mittelamerika eine derart strenge Reis- und Bohnendiät gibt. Der Pazifik ist in Mittelamerika deutlich wärmer als gedacht und ich wusste zwar, dass die Karibik ein wunderschönes Meer sein soll, dermaßen Türkis hatte ich sie mir aber auch nicht vorgestellt. Reisen ist anstrengender als ich dachte – es ist zwar irgendwie Urlaub, aber eigentlich auch nicht. Irgendetwas muss immer organisiert werden, sonst hast du nämlich kein Geld mehr, nix zu essen oder hockst Nachts auf der Straße an einem Ort, an dem man wirklich nicht bleiben möchte. Wochenende gibt es auch nicht, klingt komisch, ist aber so.

8. Welches Bier hat dir am besten geschmeckt?

Kann mich an keins erinnern, dass es wert wäre, diese Frage ernsthaft zu beantworten. Klar gab es auch ein paar okaye Biere, aber nichts, das längerfristig in Erinnerung bleibt. Der kanadische Gewürztraminer, der ist allerdings verdammt lecker. Hätte ich so auch nicht erwartet.

9. Welchen Rat würdest du jemandem geben, der die gleiche Reise machen will?

Der wichtigste Rat – Mach es! Eine Langzeitreise öffnet nochmal anders die Augen, als es ein Urlaub kann und ich glaube auch, als es ein Auslandssemester oder Auslandsjahr kann. Plane gut, für manche Orte, Erlebnisse und Reservierungen braucht es einige Wochen Vorlaufzeit. Bleib trotzdem flexibel, lass dir genug Freiheiten, Links und Rechts des Weges nach Spannendem zu schauen. Nimm jemanden mit, dem du erzählen kannst was du denkst, der Hostelsmalltalk unter Travellern wird dir auf Dauer nicht reichen. Überleg dir gut, ob du einen Kompromiss eingehen möchtest, vielleicht ergibt sich die Gelegenheit nie wieder, dass du tun kannst was du in diesem Moment auch wirklich tun willst, jetzt und an diesem Ort. Geh nie ohne dein Handtuch aus dem Haus.

Vancouver

10. Welche meiner Angewohnheiten hat dich am meisten genervt?

Schön, dass du nur nach einer Angewohnheit fragst, das spart mir das mühsame Aufzählen. Spaß beiseite, ich hätte mir niemand besseres als Begleitung für diese Reise wünschen können. Du bist eben manchmal eine Zippe und ich bin ein sturer Bock. Wenn du mich aber so fragst: Ein bisschen mehr Optimismus und bisschen weniger „ich hab keine Lust mehr, ich will nach Hause“ würden dir sicher nicht schaden.

Von Chickenbussen, Kaffee und nicht immer freundlichen Menschen

Das erste Land auf unserer Reise, zu dem mein Fazit durchaus gemischt ausfällt. Wir sind jetzt ja ohne eigenes Auto unterwegs (dazu ein anderes Mal mehr), was vor allem bedeutet, dass wir nicht mehr alleine und unabhängig dahin fahren können, wo wir hinwollen. Wo wir auch schon beim großen Problem wären, was ich mit Guatemala hatte. In Flores im Norden von Guatemala, einer Region, wo es außer den weltberühmten Ruinen von Tikal nichts gibt, mit dem man groß Geld verdienen kann. Außer halt Touristen, die kommen dafür aber zuverlässig und haben mehr Geld, als die allermeisten Einheimischen. Und das merkt man leider auch. Die Hostelpreise sind total überzogen und man muss sich wirklich anstrengen, an gesicherte Informationen zu kommen. Es war mir zum Beispiel trotz guter Spanischkenntnisse nicht möglich, herauszufinden, welches der preiswerteste Bus von Flores zur Weiterreise nach Rio Dulce ist. Am Ende mussten wir dann irgendeinen nehmen, von dem ich glaube, dass wir damit noch gut weggekommen sind. Wenn man im Internet recherchiert, finden sich jedenfalls die haarsträubensten Geschichten und Berichte. Ich war daher sehr froh, dass wir schon vorher beschlossen hatten, uns Tikal zu klemmen, weil wir beide keine Lust mehr auf überteuerte alte Steine hatten. Somit waren wir nur zwei Nächte in Flores (die Stadt selbst ist ganz ok, aber keineswegs so schön, dass sie alleine einen Besuch rechtfertigt). Tikal hingegen muss wirklich beeindruckend sein, ich bereue aber trotzdem nichts.

Unser nächster Stop war dann Rio Dulce, pittoresk an einem Arm der Karibik gelegen. Bis zum offenen Meer sind es ein paar Kilometer, deswegen ist es hier relativ sturmgeschützt. Die Lage des Örtchens zieht Segler_innen aus aller Welt an und man sieht sehr viele Boote mit us-amerikanischen oder kanadischen Flaggen. Ansonsten ist das Örtchen selbst nicht viel mehr als eine belebte Straßenkreuzung. Tragischerweise konnten wir hier nur eine Nacht verbringen. Unsere Unterkunft war wunderschön am See gelegen und nur mit einer Lancha (Böötchen) zu erreichen. Hier hätte ich gerne noch einen Tag mehr verbracht.

Rio Dulce

Irgendwie scheint es ein Naturgesetz zu sein, dass jeder Staat in Mittelamerika eine besonders gut erhaltene ehemalige spanische Kolonialstadt auf seinem Gebiet hat, die scharenweise Touristen aus aller Welt anzieht. In Guatemala heißt diese Stadt Antigua und auch wir haben dort natürlich vorbeigeschaut. Antigua ist tatsächlich ein hübsches Städtchen, viele der alten Gebäude sind von den vielen Erdbeben irgendwann teilweise zerstört worden, aber das macht sie ehrlich gesagt nur noch hübscher. Zudem punktet Antigua mit einer hübschen Lage am Fuße eines Vulkans, den man von fast jedem Ort in der Stadt sehen kann. Ansonsten gibt es hier vorallem eine hervorragende Gringo-Infrastruktur: Viele Unterkünfte für jedes Budget, Kneipen, Restaurants, gute Cafés und viele Tourenanbieter, die einen mit ihren Bussen hin- und herfahren. Fortbewegung in Guatemala ist nämlich so eine Sache. Es gibt wie in jedem Land hier so genannte „Chickenbusse“, meistens ausrangierte Schulbusse aus den USA. Diese haben in der Regel einen Fahrer und einen Assistenten, der den Fahrpreis kassiert, das Gepäck auf dem Busdach befestigt und vor allem an jeder Kreuzung laut darüber informiert, wohin dieser Bus fährt. Das Busfahrer-Assistenten-Tandem fährt auf eigene Rechnung, entsprechend gibt es auch keine Fahrpläne, sondern der Bus fährt, wenn er voll ist. Und „voll“ bedeutet nicht nur, dass jeder Sitzplatz besetzt ist, sondern auch, dass der Gang gerammelt voll ist. Zuweilen stehen Menschen in der Tür und manchmal sitzt auch jemand auf dem Dach. Über diese Art der Fortbewegung gibt es wie immer zwei Meinungen: Die einen halten das Reisen im Chickenbus für das einzig Wahre, die andern befinden es für viel zu gefährlich. Meine persönliche Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen: Sicher wird hier eher etwas geklaut und die Fahrzeuge sind nicht immer im besten Zustand, aber andererseits ist das Reisen so sehr billig und besonders bequem sind Shuttles auch nicht. Wir sind in Guatemala trotzdem oft Shuttle gefahren, was vor allem daran lag, dass die einen ohne Umsteigen von A nach B bringen und das Reisen so schneller geht. Gerade umsteigen ist mit unseren riesigen Rucksackimmobilien eine logistische Meisterleistung. Aber ich schweife ab.

Lago Atitlan

Von Antigua aus ging es für uns an den Lago Atitlan, eingeschlossen von Vulkanen und anderen hohen Bergen im Hochland von Guatemala gelegen. Hier wächst der beste Kaffee, den ich in meinem Leben bisher getrunken habe. San Pedro, das Dörfchen, was für 3 Nächte unser Zuhause war, ist ein wahrgewordener Hippietraum. Entsprechend viele haben sich hier niedergelassen. Und so kann man als Tourist zwischen vielen verschiedenen Restaurants wählen. Es gibt hier zum Beispiel ein paar israelische Läden und am Sonntag kann man am Schwimmbad des Ortes ein echt amerikanisches BBQ genießen. Unterkünfte und Essen sind nicht gerade teuer, weswegen es auch viele junge Backpacker hierhin zieht. Wir haben in San Pedro mal wieder versucht, einen Vulkan zu besteigen. Schon in Antigua waren wir auf einem, dort hatten wir aber großes Pech mit dem Wetter und man hat nichts von der versprochenen Aussicht gesehen. In San Pedro hatten wir Glück und wurden nach einem sehr anstrengenden Aufstieg mit einem großartigen Ausblick belohnt. Leider hat die heldenhafte Schreiberin dieser Zeilen die Kamera in der Unterkunft vergessen, deswegen gibt es nur die nicht ganz so beeindruckenden Handyfotos zu sehen.

Kaffeepflanze

Ich hätte ohne Probleme noch weitere Wochen in Guatemala verbringen können. So waren wir zum Beispiel gar nicht im „richtigen“ Hochland und auch die karibischen Städte an der Atlantikküste müssen wir uns ein anderes Mal ansehen. Und ich verstehe, warum Guatemala so beliebt ist. Das Land ist relativ kompakt und dennoch sehr abwechslungsreich, es verfügt über eine reiche präkolumbische Geschichte und Lebensmittel und Unterkünfte sind verhältnismäßig billig. Wir hatten in Guatemala überhaupt keine Probleme, wurden nicht ausgeraubt und außer in Flores sind wir auch nur freundlichen, hilfsbereiten Menschen begegnet. Gerade in sehr touristischen Ecken muss man aber wie ein Schießhund aufpassen, dass man nicht übers Ohr gehauen wird – und damit meine ich nicht, dass man ein bisschen mehr für seine Flasche Wasser bezahlt. So etwas ist ja fast normal und auch hinnehmbar. Aber bevor man ein Busticket kauft oder irgendetwas anderes teures bucht, muss man zwingend mehrere Meinungen einholen und sich am Besten auch noch im Internet informieren. Daraus resultiert bei mir ein gewisses Grundmisstrauen, was ich anstrengend finde.

Oaxaca und Chiapas

Oaxaca und Chiapas sind (Achtung, Spoiler!) die schönsten und großartigsten Flecken, die es in Mexiko gibt. Jetzt, wo wir die meisten Bundesstaaten in Mexiko bereist haben – es fehlen vor allem Chihuahua und Nueva Leon im Norden, Veracruz im Osten und Guerrero im Süden – schält sich diese Erkenntnis nach und nach aus all den bereisten Städten, verzehrten Gerichten und beschnorchelten Stränden ziemlich klar heraus. Hier ist der Versuch, einige der Highlights in Worte zu fassen.

Die Strände Oaxacas

Von allen Küsten, die wir in dieser Reise bislang besichtigt haben, sind vielleicht nur die zerklüfteten Felsen Oregons noch großartiger als die malerischen Sandbuchten an der Küste Oaxacas. Wirklich miteinander vergleichen lassen sich diese beiden aber sowieso nicht. Egal ob in Puerto Escondido die kleinere Playa Carrizalillo, der gesamte Abschnitt von Mazunte bis San Augustinillo oder die wundervolle Playa an der Bahía San Agustín bei La Crucecita / Bahias de Huatulco – überall locken kleine Palapas, wo sich unter Palmendächern wundervoll eine frisch vom Baum geschlagene, eisgekühlte Kokosnuss trinken lässt. Danach vielleicht einen Happen Ceviche mitsamt dem Inneren der Kokosnuss, die man sich gerade öffnen ließ und alles herunterspülen mit einer würzigen Michelada oder einer Paloma, inklusive Salzrand am Glas. Man denkt ja schließlich an seine Elektrolyte. Zum Abschluss im warmen Wasser planschen, wieder hinsetzen, die gesamte Prozedur wiederholen. So kann man schon ein paar Tage ganz gut rumkriegen.


San Cristobal de las Casas

Die wahrscheinlich schönste Stadt Mexikos liegt in Chiapas. San Cristobal de las Casas ist nicht besonders herausragend, es gibt keine einzelne große Sehenswürdigkeit, nichts was man unbedingt dort machen sollte. Es ist einfach nur eine hübsche, alte, gut restaurierte und farbenprächtige Stadt, die nur so strotz vor netten Bars und Cafés. Zudem ist sie durch ihre zentrale Lage in Chiapas der perfekte Ausgangspunkt für Tagesausflüge zu eigentlich fast allen größeren Ausflugszielen in der Region. Hierhin würde ich auf jeden Fall noch ein zweites Mal reisen.

Weihnachten mit Marshmellow am Lagerfeuer

Weihnachten mit Marshmellow am Lagerfeuer

Alte Steine

Die vorkolumbianische Geschichte Mexikos (vorkolumbianisch bedeutet vor Kolumbus, nicht vor Kolumbien) ist die Geschichte vieler verschiedener Volksgruppen, die zum Ende des 15. Jahrhunderts von den Mexica / den Azteken zunehmend dominiert wurde. Den Mexikaner als solchen gibt es nicht, genauso wenig wie den mexikanischen Ureinwohner an sich. Früher wurde in Mexiko anscheinend vor allem zwischen zugewanderten Spanier und deren Nachkommen, dem Indigenen Bevölkerungsanteil, sowie den Mestizen / den Mischlingen aus beider Gruppen unterschieden wurde, so werden die verschiedenen First Nations heute schon klar voneinander abgegrenzt betrachtet. Dennoch spielt dieser rassistische Blickwinkel auf Mexiko leider nach wie vor eine Rolle, wie man schon allein an der Verteilung des Wohlstands im Land betrachten kann – wohlhabend sind nämlich vor allen Dingen die Weißen. Naja. Oaxaca ist auf jeden Fall Kernland von Zapoteken und Mixteken, von denen vor allem die Zapoteken durchaus vorzeigbare Tempelkomplexe hinterlassen haben. Chiapas hingegen markiert die westliche Grenze der Maya, deren Siedlungsgebiet bis in den Süden nach Honduras und El Salvador reicht und die sich, untergliedert in Dutzende Stadtstaaten, eigentlich ständig gegenseitig bekriegten. Von den Maya ist auch in Chiapas einige zu sehen, vor allem Palenque könnte manchen Menschen ein Begriff sein. Noch großartiger fand ich jedoch Toniná, eine große Ruine zwischen Palenque und San Cristobal de las Casas, bei der man frei auf allen dort anzutreffenden Alten Steinen herumspringen und eine riesige und steile Pyramide besteigen kann. Sonst sind bei den Ruinen viele Bereiche abgesperrt. Toniná jedoch ist ein großartiger Abenteuerspielplatz.

Toniná, ein Abenteuerspielplatz

Toniná, ein Abenteuerspielplatz

Mole, Mezcal, Kässpätzle und Co

Die Küche Oaxacas ist vor allem berühmt für ihre Saucen, ihre Molen. Besonders die schwarze Mole, in die neben zigllionen Kräutern auch ein wenig Schokolade gehört, ist berühmt. Ehrlich gesagt hat mir jedoch genau diese nicht so gut geschmeckt. Warum weiß ich auch nicht genau, müsst ihr selbst probieren. Vielleicht liegt es auch an mir, dem anderen Teil der Agency hat sie nämlich ganz hervorragend gemundet. An der Schokolade kann e auf jeden Fall nicht liegen, die ist nämlich so anders, so viel besser, als alles was man in Europa finden kann. Nicht so süß, dafür viel viel würziger. Unfassbar gut! Eher belanglos sind hingegen Heuschrecken. Einmal gegessen, abgehakt. Nicht weil es irgendwie eklig ist, sondern weil sie schlicht und ergreifend keinen wirklichen Eigengeschmack haben. Den hat hingegen Tasajo, luftgetrocknetes Rindfleisch, das gerne in Tlayudas, großen Tortillas, die mit Bohnen, Käse (der Käse aus Oaxaca ist salzig, faserig und zurecht berühmt) und Avocado über dem offenen Holzkohlengrill gebraten werden, serviert wird. An der Küste gibt es dann, natürlich, Fisch. Überall gibt es Mezcal. Als bekennender Scotchtrinker meine ich: ein ganz hervorragendes Destillat, vor allem nach ein paar zusätzlichen Jahren in einem Holzfass. Oaxaca ist ziemlich stolz auf seinen Mezcal und überall gibt es kleine Brennereien. Deren Erzeugnisse werden dann vor allem in Probierstuben ausgeschenkt, von denen es allein in der Provinzhauptstadt Oaxaca de Juarez gefühlte Hundert gibt.

Tostadas mit frischen Shrimps und Avocado

Tostadas mit frischen Shrimps und Avocado

Chiapas ist mir kulinarisch nicht ganz so bewusst in Erinnerung geblieben wie Oaxaca. Einmal habe ich geschmortes Schwein in Kürbiskernsauce gegessen, das war ganz lecker, aber nach Kürbiskernen geschmeckt hat es nicht wirklich. Dafür darf ich Freuden berichtet, dass die wahrscheinlich besten Kässpätzle außerhalb Schwabens in einer kleinen Restaurantbar in Palenque zu finden sind. Frisch geschabte Spätzle mit ordentlich Käse und einer ausreichenden Menge Zwiebeln. Großes Kompliment an das Chely’s – ernsthaft, ich habe viele Kässpätzle in Stuttgart gegessen, die da nicht mithalten konnten.

 

Einfache mexikanische Küche: Pescadillos

Einfache mexikanische Küche: Pescadillos

Großartige Menschen

Dieser Moment, als wir einsehen mussten, dass der Routenplaner von Google Maps uns leider nicht über eine halbwegs normale Straße, sondern auf dem seiner Meinung nach schnellsten Weg mitten durch den Dschungel Oaxacas lotste. Über Erdpisten mit teilweise drei oder vier Spurrillen, die jede für sich 80cm tief war und dabei Steigungen von 10-15% überwand. Durch einen Fluss, bei dem wir Glück hatten, dass jemand vor uns kleine Steinchen in die sandige Furt gelegt hatte. Durch ein Gebiet, das so arm ist, dass die Menschen am Wegesrand noch regelmäßig einen Sack Reis von der Regierung geliefert bekommen. Leider war es in diesem Moment zu spät umzudrehen. Schließlich wurde es schon langsam dunkel und die verdammte Tankanzeige blinkte seit zwanzig Minuten. Abwärts fuhren wir nur noch im Leerlauf und wo die nächste Tankstelle ist, keine Ahnung. Schließlich hatten wir schon seit ein paar Stunden keinen Empfang mehr. Liebes Google Maps, danke für nichts. Dann aber doch: Ein Dorf. Licht. Menschen. Die erste Frage: Gibt es Benzin? Die zweite Frage: Wird die Straße irgendwann auch noch besser? Können wir das in der Dunkelheit mit unserer alten Rosinante weiter fahren? Die Antworten: Ja und Ja. Selten war ich so erleichtert. Keine fünf Minuten später wurden wir zum einzigen Laden in der Stadt geführt, in dem uns der Inhaber aus einem Fass in seiner Garage heraus ein paar Liter Benzin verkaufen konnte. Mittlerweile war es stockdunkel. Als wir den Menschen aus dem Dorf bei einer Cola erzählten, auf welcher Strecke wir zu ihnen gekommen sind – ein lautes Lachen. Aber sie hatten Recht, die Straße wurde danach tatsächlich besser und so schafften wir es doch noch am selben Tag hinunter ans Meer nach Puerto Escondido. Wir zahlten für das Benzin und die Cola, sonst für nichts. In einem Land, in dem sonst jeder Furz berechnet und als Dienstleistung mit einem kleinen oder größeren Trinkgeld bedacht wird. In einer Region, in der viele Menschen so arm sind, dass sie zum Überleben noch Reis von der Regierung erhalten. Genau dort wollten die Menschen nichts und waren fast beleidigt, als wir Ihnen etwas für ihre Hilfe anbieten wollten. Es sei ja normal zu helfen. Großartige Menschen!

Natur, Natur, Natur

  • Das karge Inland von Oaxaca und - huch, eine Pyramide

Ein großer Vorteil an den vielen Ruinen in Chiapas ist, dass sie oftmals mitten im Dschungel liegen und dementsprechend auch dieser zugänglich ist, wenn man sich ein paar alte Steine anschaut. So fährt man zum Beispiel erstmal eine Stunde auf einem kleinen Motorboot über den Grenzfluss zwischen Guatemala und Mexiko, um nach Yaxchilán zu gelangen, das malerisch und abgelegen inmitten einer Flussschleife daliegt. In Yaxchilán angekommen sind die Ruinen zwar recht gut freigelegt, dennoch gibt es jede Menge riesiger Bäume, an denen sich hoch über einem die Brüllaffen und –äffchen entlanghangeln. Nettes Plus. In Oaxaca hingegen kann es gut sein, dass man auf der Fahrt zum Canyoning ein paar Nasenbären am Wegesrand spielen sieht oder die Ausfahrt zum Canon del Sumidero, ein durchaus beeindruckender, bis zu 1km tiefer Canyon, der vom Wasser eines Stausees gefüllt ist, den Blick auf ein paar in der Sonne liegende Krokodile beinhaltet. Nach ein paar Monaten Mexiko habe ich mich mittlerweile damit abgefunden, dass es kaum möglich ist, die hiesige Natur auf eigene Faust zu erkunden. Dafür gibt es schlichtweg nicht genug Arbeit hier – würden die notwendigen Informationen einfach allen problemlos und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, hätten Heerscharen von Tourguides kein Auskommen mehr. So passt es auch ins Bild, dass man für den sehr gut zugänglichen Nationalpark der Lagos de Montebello nicht einmal, sondern gleich zweimal Eintritt berappeln muss: Einmal an den Staat Mexiko und einmal an die Gemeinde, die direkt an einem der Seen liegt. Einige der Naturschätze sind sogar derart wichtig für die lokale Wirtschaft, dass sich an ihnen größere Konflikte entzünden. So möchte die Bundesregierung von Mexiko schon seit längerem ein großes Ressort an den wirklich wunderschönen Wasserfällen Agua Azul und Misol-Ha bauen, samt neuer Autobahn, die dann San Cristobal de las Casas mit Palenque verbinden würde. Dagegen wehren sich die Anwohner vor Ort, die befürchten, dass ihr Stück vom Kuchen hierdurch kleiner und kleiner und kleiner würde und die in ihrem Widerstand von den Zapatisten unterstützt werden, einer linken Gruppierung, die sich vor knapp 30 Jahren einen kleinen Bürgerkrieg mit der Mexikanischen Regierung lieferte, weil sich große Teile der Bevölkerung schlicht vergessen oder über den Tisch gezogen fühlte. So zumindest habe ich den Konflikt verstanden. Bislang gibt es kein Ressort, braucht es meiner Meinung nach auch nicht, die Wasserfälle sind für sich gesehen schon schön genug. Die Straße allerdings, die könnte das Land durchaus gebrauchen, denn bislang ist die Infrastruktur in vielen Teilen von Chiapas doch recht dürftig. Es ist eben immer dasselbe: Wenn man die Natur in einem Land sehen will, und die Menschen dort ein Auskommen davon haben wollen, dann muss man auch irgendwie dorthin kommen. Deswegen braucht es in manchen Ländern nicht nur größere Schutzgebiete, sondern auch neue Straßen. Ein schwieriger Spagat.

Erste Schritte in Mexiko / Die Baja California

Kinder, wie die Zeit vergeht. Schon seit einem Monat turnen wir nun durch Mexiko und haben dabei einmal die gesamte Baja California von Nord nach Süd durchquert. Zeit für ein paar Zeilen über die ersten Eindrücke von Mexiko im Allgemeinen und der Baja California im Besonderen.

Es liegt in der Natur eines Roadtrips, dass man viel Zeit auf den Straßen und im Verkehr eines jeweiligen Landes verbringt und die allgemeine Verkehrsmoral (was für ein Wort!) der Menschen in diesem Land sehr gut kennen lernt. Mexiko ist in diesem Punkt… atemberaubend! Fantastisch! Großartig! Selbst die legendäre (und wirklich vorhandene) kanadische Freundlichkeit muss auf der Straße gegenüber der mexikanische Freundlichkeit zurückstecken. LKW-Fahrer zeigen einem bei kurvigen Strecken mit dem Blinker an, ob man gefahrlos überholen kann. In Städten gibt es oftmals keine Ampeln und kein „Rechts vor Links“, sondern auf jeder Seite ein Stopschild und reihum darf von jeder Seite ein Auto rüber fahren. Das funktioniert dann selbst bei dreispurigen Straßen reibungslos, weil jeder auf den anderen aufpasst. Es wird kaum gehupt, alles fliesst irgendwie chaotisch vor sich hin und der gesamte Straßenverkehr ist am ehesten als riesige shared space-Zone zu begreifen – und es funktioniert. Da können sich einige vordergründig besser organisierte Länder echt ne Scheibe abschneiden.

Ein ständiger Begleiter auf den Straßen Mexikos ist dabei die Armee. Die ständigen Sturmgewehre sind ein Anblick, an den man sich erstmal gewöhnen muss. Zur mexikanischen Armee muss jedoch eine Sache gesagt werden: Sie ist echt in Ordnung! Normalerweise bin ich ja kein Fan von Armeen, aber diese hier fährt eben Streife, wie sonst die Polizei, und hat Kontrollpunkte, an denen sie dein Auto kontrolliert, so wie sonst die Polizei. Und das Beste: Sie tut all dies ohne willkürliche Rechnungen zu stellen, so wie sonst die Polizei. Vor allem die policia municipal, die Dorfpolizei, kann einem in diesem Zusammenhang schwer aufstoßen. Ernsthaft, da ist mir das Militär lieber.Wüste, überall Wüste

Außerdem überall anzutreffen auf Mexikos Straßen: Hunde. So wie in Istanbul und auf Sizilien eine unfassbare Anzahl von Katzen herumstreunt, so sind auf der Baja California Straßenhunde allgegenwärtig. Einige haben eine Existenz als Wachhund gefunden und blaffen alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, andere irren mit eingezogenen Schwanz über die Straßen und durch die Dörfer und wurden dabei schon bestimmt 50 mal fast überfahren. Wer hier Straßenhunde retten und in andere Länder importieren will – viel Glück!

Wo in den USA in der Gastronomie viel zu viele Kellner für viel zu wenig Arbeit herumrennen und verzweifelt versuchen, eine Beschäftigung zu simulieren, so stehen in Mexiko in der Gastronomie viel zu viele Menschen für viel zu wenig Arbeit einfach rum. Ist ja auch schließlich nix zu tun. Was das Arbeitsleben angeht, scheint das Mexiko ziemlich gut zu beschreiben – es ist eben so viel Arbeit da, wie da ist, und die wird dann durch alle Bewohner eines Ortes geteilt. Vielleicht hat man dadurch am Ende des Monats nicht soo viel Pesos in den Taschen, dafür muss man nur an einem Tag in der Woche im Eisladen schaffen und alle im Dorf haben ein Auskommen, das sie über die Runden bringt. So ungefähr habe ich mir den realen Sozialismus vorgestellt und genau das ist in vielen Ecken der Baja California genau so zu beobachten gewesen – Baustellen, bei denen 5 Personen zuschauen, während eine Person arbeitet inklusive. Das Ganze gipfelt dann in der staatlichen Erdölgesellschaft Pemex, die ein unfassbares Tankstellennetz betreibt, bei denen auf eine Zapfsäule mindestens ein angestellter Tankwart kommt. Eine gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Auf der einen Seite Ok, haben viele Leute einen Job. Auf der anderen Seite habe ich gelesen, dass Pemex Geld für den Bau neuer Raffinerien fehlt und Mexiko unter Strich trotz seines Ölreichtums Öl importieren muss. Von Investitionen in E-Zapfsäulen mal ganz zu schweigen. So herum betrachtet irgendwie auch wieder Schwachsinn.


Mittlerweile sind wir ja wieder in Gefielden angekommen, in denen die Landschaft in einem fantastischen Grün erstrahlt. Gott, wie gut das tut! Immer nur Wüste sehen schlägt tatsächlich aufs Gemüt, zumindest dem gemäßigte Breitengradkind in mir. Und Wüste gibt es verdammt viel auf der Baja California. Eigentlich gibt es sogar fast ausschließlich Wüste auf der Baja, wenn man mal von einigen wenigen palmengesäumten Oasen absieht. Wie anders sich da doch die Welt unter der Meeresoberfläche darstellt. Tropische Fische, riesige Walhaie, Delfinfamilien und sanft dahingleitende Mantarochen. Alles gesehen. Wer auf Tauchen oder Schnorcheln steht, der sollte wirklich einmal im Leben auf die Baja California fahren.

Viel wäre noch zu beschreiben:Von halb fertig gebauten Häuser, die hier in Unmengen rumstehen, von einwandfreien rohen Meeresfrüchten und Montezuma, dessen Rache einen auch auf anderen Wegen ereilen kann, vom deutlich zu beobachtenden Stadt-Land-Gefälle, dass sich in Arm und Reich, dunklerer und hellerer Haut und noch ein paar anderen Dingen beobachten lässt. Aber davon wird vielleicht noch an anderer Stelle berichtet, Mexiko wird uns schließlich noch eine Weile begleiten.

Oregon

Was sagt es eigentlich über ein Land aus, wenn es sich nicht nur ein Nationalsäugetier (Biber), einen Nationalbaum (Douglas-Tanne), ein Nationalkrustentier (dungeness crab) und ein Nationalgetränk (Milch) erwählt, sondern auch eine Nationalmikrobe? Es bedeutet einiges – wenn denn diese Nationalmikrobe ausgerechnet die Brauhefe ist.

  • Strand am Cape Blanco
Nun bin ich ja was Bier angeht eher ein Purist – gebt mir ein Augustiner und ich bin glücklich – dennoch muss ich nach einem Besuch in Oregon sagen, dass auch die Menschen hier leckeres Bier brauen. Auch wenn es nicht immer das hält, was es verspricht: Das „Hefeweizen“ schmeckt zwar lecker, aber nicht nach Hefe und das „Kölsch“ nicht so schnell abgestanden wie das original Kölner Kölsch. Anders ist eben oft auch besser. In Portland jedenfalls werden die amerikanischen Varianten derselben ebenso oft ausgeschenkt wie IPA, Summer Ale oder auch „Radler“, gerne auch mal mit einem Snack auf „Sauerteig“-Brot. So viele deutsche Worte wie zur Zeit haben sich wohl selten zuvor in die englische Sprache eingenistet – und besser als „Weltschmerz“ oder „Blitzkrieg“ sind sie allemal.

Aber weg von der Sprache und zurück zu Oregon. Nur auf Craft Bier sollte man diesen Staat nämlich auf keinen Fall reduzieren, auch wenn die Oregonesen (?) so stolz auf ihr zweites Nationalgetränk sind, dass sie den Genuss desselben sogar in Parks, Stränden und Biergärten zulassen, in denen auch gleichzeitig geraucht werden darf. Für die Zustände, die ich bislang in den USA erlebt habe, muss diese liberale Geisteshaltung eigentlich fast schon der Vorhort der Hölle sein. Und dann dürfen die Oregoner (??) auch noch legal kiffen – wenn das nicht der Satan persönlich angeordnet hat…

Egal, denn die landschaftliche Vielfalt in Oregon könnte man dafür im Gegenzug geradezu als himmlisch bezeichnen. Es gibt den übriggebliebenen Krater eines Supervulkans, der nun ein 500m tiefer See mit absurd blauem Wasser ist, eine Insel im ultratiefen, aber nicht soo großen See inklusive. Es gibt ausgedorrte Steppen und lichte Tannenwälder im Inland und eine 400 Meilen lange und geradezu aberwitzig schöne Küste. Man findet putzige kleine Städtchen wie Astoria und eine angenehm unamerikanische Großstadt mit Portland, die nicht aus einem abgestorbenen Wolkenkratzerwüsten-Downtown samt Suburbs besteht und zu Fuß und mit einem wirklich guten öffentlichen Nahverkehrssystem (sorry Seattle) besichtigt werden kann. Und es ist günstig, verglichen mit Californien und Washington zumindest.

Auch auf die Gefahr hin mich fast schon wie das Fremdenverkehrsamt der Oregoni (???) anzuhören – eine Reise durch Oregon wäre allein schon den Flug über den großen Teich wert.

Alaska, Teil zwei

Hier nun, mit weniger weichem Hirn, der zweite Teil des großen Alaskareiseberichts.

Wie ich im ersten Teil schon sagte, kann man Anchorage aus touristischer Sicht beiseite lassen. Die Halbinsel, die sich an Anchorage anschließt, lohnt aber einen Besuch. Leider hatten wir sehr schlechtes Wetter und wenig Zeit, so dass wir nur ein wenig am Turnagain-Arm entlang gefahren sind. Eigentlich wollten wir uns einen Gletscher ankucken, der in einen See kalbt, aber das Wetter hat uns leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber allein schon der Blick aufs eisblaue Gletscherwasser war beeindruckend. Außerdem sieht der Pazifik hier aus wie die Nordsee und als Norddeutsche bekomme ich dann sofort Heimweh und will ganz viele Fotos von grauem Schlick machen.

Wir sind dann also weiter Richtung Süden gefahren, am Wrangell St. Elias Nationalpark vorbei. Falls ihr mal 300 Dollar übrig habt, macht doch einen Gletscherrundflug und erzählt mir, wie der Blick so war, ich hatte dafür leider nicht das nötige Kleingeld. Das ist leider die Kehrseite der Medaille. Die USA an sich sind schon teuer, in Alaska zahlt man dann zusätzlich noch drauf. Nehmt bloß genug Geld mit. Dafür kann man aber in Alaska in der Regel auf jedem Parkplatz entlang der Highways nächtigen und dadurch Geld sparen, wenn es einem nichts ausmacht, direkt an der Straße zu schlafen. Aber ich schweife ab. Am Wrangell Nationalpark vorbei fuhren wir zum Kluane Nationalpark. Dieser liegt dann wieder im Yukon, aber das macht ja nichts. Der Kluane ist nicht ganz so überlaufen wie die anderen Nationalparks in der Ecke und bietet Wandermöglichkeiten und schöne Ausblicke. In Haines Junction (mit ca 250 Einwohnern übrigens eine der größten „Städte“ im Yukon) kann man ganz ausgezeichnete Cranberriescones essen, was man auf gar keinen Fall versäumen sollte.
Ansonsten ist das große Highlight hier der Highway zwischen Haines Junction und Haines, welches dann wieder in Alaska liegt. Man fährt über 1000 Meter hohe Passstraßen und die Landschaft ist beeindruckend karg und gleichzeitig voller Leben. Das klingt furchtbar kitschig, ist aber wirklich so.

Haines selbst ist eine kleine entspannte Stadt am Wasser, die zum Glück nur recht selten von Kreuzfahrtschiffen heimgesucht wird. Hier kann man wunderbaren geräucherten Lachs kaufen, es gibt tatsächlich einen bezahlbaren Campingplatz mitten in der Stadt und die Wanderung auf den Hausberg Mount Ripinsky ist zwar hart anstrengend (vorallem mit Höhenangst), aber der Blick auf die umliegenden Gletscher und das Meer entschädigt für die Qualen.

Da ein Abstecher nach Juneau zeitlich nicht drin war, sind wir dann mit der Fähre weiter nach Skagway gefahren. Hier erlebt der geneigte Besucher, was passieren kann, wenn man 5-6 riesige Kreuzfahrtschiffe auf ein kleines Städtchen loslässt. Es ist verstörend. Die ganze Stadt quillt über mit Rentnern und Menschen, die schon mit 35 im geistigen Rentenalter sind und jedes zweite Haus beherbergt einen garantiert authentischen Goldrauschjuwelenladen.
Wir haben diesen Ort so schnell wie möglich hinter uns gelassen. Hinter Skagway wird es dann nämlich wieder sehr sehr schön. Der Highway schlängelt sich wieder auf über 1000 Meter in die Höhe und die Landschaft ist noch beeindruckender als auf der kanadischen Seite zwischen Haines Junction und Haines. Dieser Abstecher hat sich definitiv gelohnt.

Yukon Territories.

Nachdem wir so lange nichts von uns hören lassen haben, hier endlich ein Update. Die Internetverbindungen im Norden waren oft schlecht und gutes WLAN so rar gesät, dass andere Dinge Priorität hatten, wenn wir denn mal online waren. Ein Foto auf Instagram ist halt schneller hochgeladen als die Bilder für ein WordPressblog.

Das zur Erklärung. Nun zum Yukon.

Im Laufe unserer Fahrt ist die Nacht immer kürzer und der Tag immer länger geworden. Sowohl im Yukon als auch in Alaska scheint die Sonne gerade 19 bis 20 Stunden lang und auch „nachts“ wird es nicht wirklich dunkel. Einschlafen ohne Schlafbrille? Unmöglich. Der kurze arktische Sommer hat es in sich. Alles wächst und gedeiht. Es wird hier oben durchaus warm und die Sonne brennt auf einen herunter. An sonnigen Tagen kann man es kaum ohne Schatten aushalten und es wundert mich gar nicht mehr, warum hier oben alle so braun sind.

Wir hatten Tage, an denen es 30 Grad warm wurde und wir abends um 22 Uhr noch mit Sonnenbrille durch die Gegend gelaufen sind.
Ansonsten bedeutet Yukon vorallem: Natur, denn davon gibt es hier viel. Menschen hingegen nicht so sehr. Man fährt also stundenlang durch Wälder, Täler, an schneebedeckten Bergen vorbei. Teilweise kann man 250 km lang nicht tanken, weil es einfach keine Siedlungen gibt. So eine riesengroße Leere kann man sich als Europäer kaum vorstellen. Wenn man nicht gerade durch Wälder fährt, dann geht es an Seen vorbei, wobei nicht alle so wunderbar blau sind wie Lake Boya im äußersten Norden von British Columbia.

Boya Lake Canada

Im Yukon leben ca. 40.000 Menschen, rund 30.000 davon in der Hauptstadt Whitehorse. Man kann sich also ungefähr vorstellen, wie unfassbar bevölkert diese kanadische Provinz ist. Die Einwohner leben mittlerweile hauptsächlich vom Tourismus, aber auch von Bergbau und Fischfang. So wirklich besiedelt wurde das Yukon-Territorium erst vor rund 120 Jahren, als man hier in größeren Mengen Gold fand. Die Folge war der letzte große Goldrausch Amerikas, der in den Jahren 1886 bis 1900 viele Menschen immer weiter in den Norden spülte. Dawson wuchs innerhalb von 2 Jahren zu einer Stadt mit über 20.000 Einwohnern heran. Heute ist Dawson ein großes Freilichtmuseum, in dem man die Gebäude aus der Goldrauschzeit ansehen kann. Mittlerweile leben sogar wieder ca. 1500 Menschen in der Stadt, in den Sommermonaten sind es deutlich mehr. Alle anderen Städte sind eigentlich kleine Dörfer, umgeben von Wald und nochmehr Wald.
Während Lebensmittel und Benzin im Laufe des Weges gen Norden immer teurer werden, gehen die Bierpreise erfreulicherweise nach unten. Wenn ihr mal eine Bar sehen wollt, die nicht nur nach Goldgräberflair aussieht, sondern auch wirklich aus dieser Zeit stammt, dann kann ich euch die Bar des Westminster Hotels in Dawson ans Herz legen.
Beim Gang durch die staubigen Straßen fällt es einem schwer, sich vorzustellen, dass hier 8 Monate im Jahr strengster Winter herrscht und die Häuser auf Stelzen gebaut werden müssen, damit das Holz im Permafrost nicht verzieht.

Dawson City Yukon

Whitehorse, immerhin die Hauptstadt der Provinz Yukon, gibt sich Mühe und hat vor einigen Jahren die Uferpromenade des Yukons herausgeputzt. Ansonsten gibt es hier vorallem Supermärkte, Tankstellen und andere Infrastruktur. Erfreulicherweise haben wir ein wundervolles BBQ und zwei gute Bars gefunden. Wenn ihr also mal nach Whitehorse kommt, geht unbedingt im „Klondike BBQ“ Rippchen und gegrillten Lachs essen und trinkt in der „Miners Daughter“ ein paar Yukon-Biere. Ansonsten füllt dort eure Vorräte auf und haut ab in die Natur, die ist nämlich der Hauptdarsteller im Yukon.

Besonders empfehlen möchte ich euch den Kluane Nationalpark, der irgendwo zwischen Alaska und dem Yukon liegt. Hier gibt es schöne, abwechslungsreiche Wanderwege und in Haines Junction sogar ein paar Bars, eine nette Bäckerei (Village Bakery, kauft dort unbedingt Himbeer- oder Cranberryscones, die sind riesig und lecker) und ein paar Campingplätze. Überhaupt, campen: Es gibt am Highway auch ein paar hervorragend ausgebaute State Parks, in denen man meistens auch campen kann. Die Plätze sind nicht so teuer und mitten in der Natur, dafür gibt es halt keine Duschen und meistens nur Plumpsklos. Aus unserer Erfahrung heraus kann ich sagen: Zum Duschen und Wäsche waschen auf einen ausgebauten (und teureren) Campingplatz gehen, ab und zu an den Highway stellen (natürlich nur dann, wenn es erlaubt ist) und die State Parks frequentieren. So kann man sich von allem das Beste abholen. Und wenn es irgendwo „free hot showers“ gibt, nutzt das aus.

Top of the world highway, Yukon

Mosquitos

Was soll ich sagen? Ich HASSE Mosquitos. Mindestens so sehr, wie sie mich lieben. Im Ernst, solltet ihr jemals vorhaben in ein Malariagebiet zu fahren, bucht mich. Ihr werdet garantiert keinen einzigen Stich davon tragen.

Die unendlichen Weiten des nordamerikanischen Nordens bestehen vor allem aus dem Sumpfland der Tundra und dem borealem Nadelwald der Taiga, die im Sommer beide schön feucht und sumpfig sind. Könnte es hier eventuell Schnaken geben? Klingt es nach einer hervorragenden Idee mit zuckersüßem Blut in jene Breiten zu reisen? Aber sicher doch!

Am treffendsten beschreiben für mich die biologische Familie der Stechmücken (Culicidae) dabei folgende Verse, die ich in einem kleinen Hotel in den schottischen Highlands gefunden habe:

 

„Noo the inveroran midgie is a carnivore elite
With a mouth like Jaws and teeth like saws that grind ye till ye greet
With an ice axe in his oxter and tricounis on his feet
He goes hunting human meat in Inveroran“

 

 

Schluss, aus, Ende. Im nächsten Leben wünsche ich mir einen zentimerdicken Wasserfilm auf der Haut. Oder alternativ ein Ganzkörpermosquitonetz. Wenn ihr bis dahin eine sich kratzende, fluchende und wild um sich schlagende Blutkonserve auf zwei Beinen sehen wollt, ihr findet mich direkt unter dem 10cm dicken, summenden Brocken Stechvieh in eurer Nähe. Food that hasn’t died. Wünscht mir Glück.

 

 

Der Regenwald

Wenn ich mir den Regenwald vorstelle, dann habe ich wahrscheinlich die gleichen Bilder vor Augen wie die meisten Menschen: Dampfende Hitze, dichtes Blätterwerk, umherfliegende Kolibris und in der Ferne ein paar schreiende Affen. Dazu vielleicht noch einen Jaguar oder einen Tiger und ganz sicher so große Bäume, dass es scheint, sie würden sich bis in den Himmel erstrecken.

Was ich mir ganz sicher nicht vorgestellt habe, ist einen Regenwald fernab des Äquators auf Vancouver Island zu finden.

Das faszinierende dabei ist: Der nördliche Regenwald hier in Kanadas Süden ist in wirklich vielen Punkten genau so, wie ich mir den tropischen Regenwald vorgestellt habe, nur eben mit ein paar Eigenheiten. Es herrscht eine dampfende Hitze, zumindest jetzt im Sommer, wie in einem Gewächshaus. Dichtes Blätterwerk, häufiger aber auch Nadelwerk, versperrt den Blick in die Ferne und nach oben. Flechten und Moose, die von allen Bäumen ranken, tun ihr Übriges. Blickt man doch einmal durch das dichte Grün hindurch, ist nicht selten der Pazifik zu sehen. Der nördliche Regenwald ist vor allem ein Küstenregenwald, nur hier ist es mild genug, dass der notwendige, massive Niederschlag auch im Winter als Regen und nicht als Schnee vom Himmel fällt.

Kolibris fliegen durch die Luft (kein Scheiß – und ich dachte, die gibt es wirklich nur in den Tropen). Es gibt zwar keine Jaguare oder Tiger, dafür aber Pumas, Wölfe und Bären. Wir hatten im Cape Scott Provincial Park ganz im Norden von Vancouver Island sogar das Glück, einen Wolf und einen Bären aus nächster Nähe sehen zu können. Die haben sich überhaupt nicht für uns interessiert. Der Bär drehte einfach weiter Steine am Pazifikstrand um, damit er die sich darunter versteckenden Krebse schnappen konnte, während der Wolf seelenruhig an unserem Zelt vorbei trabte. Nur füttern sollte man die Tiere nicht, denn gewöhnen sie sich an das leicht zu ergatternde Futter, kommen den Menschen dauerhaft näher, werden zur Gefahr – und erschossen. Besonders Bären sind für diese Art von Konditionierung empfänglich, intelligente Tiere eben. Darum steht auch an jedem Rastplatz unmissverständlich: „A fed bear is a dead bear.“IMG_20150623_130341

Außerdem gibt es im hiesigen Regenwald riesige Zedern, manche davon bis zu 1000 Jahre alt, die 5 Menschen gemeinsam nicht umfassen könnten und scheinbar ewig in den Himmel ragen. Nur Affen, die haben wir bislang nicht gesehen. Wobei wir bei einem Spaziergang auf dem Rain Forest Trail im Pazifik Rim Nationalpark doch einmal kurz zusammengezuckt sind. Waren das gerade Affenlaute, die wir hörten? Zur Aufklärung: Affen waren es tatsächlich nicht, aber man muss den hiesigen Raben doch große Komplimente für ihre Fähigkeit der Stimmennachahmung machen. Das liebestolle Gekrähe klingt tatsächlich fast so wie Affengebrüll.

Leider ist der nördliche Regenwald, wie so viele andere Orte auch, vom Klimawandel bedroht. Wann immer wir mit Anwohner und Rangern sprachen, ist uns mitgeteilt worden, dass in den letzten Jahren nach und nach immer weniger Regen gefallen ist und die Sommer früher und trockener begonnen haben. Ein verheerender Umstand für einen Regenwald. Hinzu kommt die große Waldbrandgefahr. Ende Juni gilt auf Vancouver Island schon die allerhöchste Gefahrenstufe und alle offenen Feuer sind streng verboten – was sonst immer erst Mitte Juli oder noch später der Fall war. Man wünscht sich, dass weltweit endlich mehr gegen den Klimawandel getan wird und hofft, dass der nördliche Küstenregenwald so vielleicht erhalten werden kann.